AvaNinian – Zweites Buch
Böden scheuern und die Kamine heizen, sind auch arme Schweine«, lachte er ungerührt, »sie haben uns auch nichts getan und trotzdem hast du gedroht, den Palast niederzureißen. Komm, hör jetzt auf damit. Trauerst du wirklich um Ciske? Ich meine so, als wäre sie deine Freundin gewesen oder deine Schwester?«
Ninian schwieg und nach einer Weile murmelte sie:
»Babitt tut mir leid, er war so verzweifelt. Ich hab nicht gedacht, dass er so tief für sie empfunden hat. Bevor sie entführt wurde, schien er mir immer so fröhlich und unbekümmert, nicht wie einer, der sich nach seiner Liebsten sehnt.«
»Ach nee, glaubst du, man sieht mir an, dass ich verrückt nach dir bin? Ich geh ja auch nicht in Sack und Asche, wenn wir nicht zusammen sind!«, spottete Jermyn und griff wieder nach ihr. Sie ließ sich umarmen, bog aber den Kopf zurück.
»Iih, von wegen Sack und Asche - schau dich mal im Spiegel an! Von so was lass ich mich nicht küssen.«
»Schau dich selbst an, wir passen sehr gut zusammen.«
Er zerrte sie vor den großen Spiegel und betrachtete grinsend die beiden Vogelscheuchen, die ihnen in zerrissenen Kleidern, hohläugig, ruß- und blutverschmiert, entgegensahen.
»Mein hübsches Fräulein«, er machte einen verunglückten Kratzfuß. Ninian kicherte, breitete mit spitzen Fingern ihren Kittel aus und knickste kokett.
»Mein edler Herr.«
»Eine ungewöhnliche Frisur habt Ihr da!«
Er zupfte an ihren dunklen Haaren, die in alle Richtungen abstanden.
»Und Ihr riecht etwas streng!«
Sie schnüffelte an seinem Arm und rümpfte dann die Nase. Jermyn grinste.
»Kein Vergleich dazu, wie Duquesne gestunken hätte, wenn er in den Pissefässern gelandet wäre!«
»Ja, um ein Haar hätte er drin gelegen.«
»Hast du sein Gesicht gesehen, als wir davongeflogen sind?«
»Die Augen sind ihm fast aus dem Kopf gefallen.«
Sie begannen zu lachen, langsam zuerst, dann heftiger, bis sie aneinander geklammert zum Bett taumelten und hineinfielen.
»Oh, Mann, ich hoffe, unter den Zuschauern war ein Straßensänger«, keuchte Jermyn und verschmierte sein Gesicht noch ein wenig mehr, als er sich die Augen wischte, »kannst du dir das Liedchen vorstellen, das sie in allen Gassen singen werden? Ich wette, sie versuchen es zu verbieten. Ohne dich wären allerdings wir in der Scheiße gelandet«, fuhr er ernster fort, »ich dachte, du wärest verrückt geworden, als du schriest, ich solle springen.«
»Das hab ich gemerkt, deine Antwort war nicht sehr schmeichelhaft. Aber wir haben Glück gehabt - wenn es nicht so windig gewesen wäre und wenn sie uns dichter auf den Fersen gewesen wären, hätte ich es nicht geschafft. Ich hatte solche Angst, dass ich fast vergessen hatte, dass ich dem Wind befehlen kann, und ich war nicht sicher, ob die Bö uns beide tragen würde.«
Sie schauderte bei dem Gedanken an die stinkende Brühe, die Schlieren auf der öligen Oberfläche.
»Es ist doch gutgegangen, Süße«, murmelte Jermyn schläfrig und schloss die Augen. »Mann, bin ich müde.«
Ninian richtete sich auf den Ellenbogen auf und musterte ihn.
»Bist du wirklich verrückt nach mir?«
»Hm?«, Jermyn blinzelte, aber als er ihren Gesichtsausdruck sah, öffnete er die Augen.
»Darauf kannst du dich verlassen«, er grinste, »soll ich’s dir zeigen?«
Er zog sie auf sich.
»Obwohl ich dir immerzu das Leben rette?«
Sie kicherte und er schlang die Arme um sie.
»Werd mich wohl daran gewöhnen müssen«, erwiderte er undeutlich, den Mund an ihrem Hals verborgen und drückte sie an sich.
»Au!«
»Au, verdammt!«
Ninian rollte von ihm weg und rieb sich den Magen, während er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht krümmte.
»Scheiße, hat das weh getan!«
Er richtete sich auf, eine Hand gegen die Rippen gepresst.
»Was hast du denn da?«, fragte Ninian vorwurfsvoll und er griff in sein Wams. »Das ist das Zeug aus dem verdammten Kasten. Ich hab’s die ganze Zeit mit mir rumgeschleppt, ich Depp!«
Ninian setzte sich mit gekreuzten Beinen auf das Bett und betrachtete die Gegenstände auf der Decke, die sie in der Schatzkammer nur flüchtig gesehen hatte.
»Warum hast du sie mitgenommen?«
Jermyn hatte seinen Kittel hochgezogen und untersuchte eine hässliche, blaurote Quetschung, die sich unter dem linken Rippenbogen ausbreitete.
»Der Kasten wurde hinter einem äußerst komplizierten Schloss aufbewahrt und jemand war so wild darauf, dass er bereit war, dafür zu morden. Also wollte ich wenigstens wissen, was es
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