Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
Grundstück liegt zwar in den Bergen BEI Portofino, der Ort ist aber locker zwanzig Autominuten von Fidelios casa entfernt. Aber diese kleine Flunkerei macht Fidelio mit seinen Gastgeberqualitäten wieder wett. In dem einfach, aber zweckmäßig eingerichteten Badezimmer hat er für mich bereits einen Stapel Handtücher platziert. Ich wechsele mein T-Shirt, entwirre mit einem Kamm die Knoten in den Haaren, die sich während der Autofahrt bei geöffnetem Fenster eingenistet haben, und stecke mir den Pony mit einer Spange aus dem Gesicht. Dann steige ich die Treppe ins Erdgeschoss hinab.
Fidelio werkelt, den langen Rücken gebogen, den Kopf weit über die Arbeitsplatte gebeugt, in der Küche. Ich entdecke einen Espressokocher auf dem Herd, neben dem noch die geöffnete Dose mit frisch gemahlenem Kaffeepulver steht. Der Duft von gerösteten Bohnen liegt in der Luft.
»Komm mal her, ich will dir etwas zeigen.« Er winkt mich zu sich. »Ich schlafe morgens lange. Wenn du früher wach bist und Kaffee möchtest, dann musst du hier den Gashahn auf- und hinterher wieder zudrehen. Das Haus ist alt, ich habe es schon vor zwanzig Jahren gekauft. Ich bin nie viel hier gewesen, daher ist wenig gemacht worden, und wir wollen natürlich nicht bei eier Explosion ums Leben kommen.« Sehr beruhigend, denke ich und hoffe, dass uns das Haus nicht schon während der ersten Kaffeezubereitung um die Ohren fliegt. Der Espresso auf dem Herd fängt an zu kochen. Vorsichtig nimmt Fidelio die silberne Kanne von der Platte.
»Weshalb bist du kaum hier? Wenn das mein Haus wäre, ich würde nie wieder woanders leben wollen!«
»Weißt du ...«, er gießt die heiße Flüssigkeit in zwei Porzellantassen, »... wenn man alleine lebt wie ich und noch nicht die richtige Frau gefunden hat, dann macht es wenig Spaß, hier oben zu hocken. Ich bin gern unter Menschen. Ich fühle mich nur wirklich wohl, wenn ich von Freunden umgeben bin. Alleine langweile ich mich. Das, meine Liebe, ist wahrscheinlich typisch italienisch. Wir stammen aus engen Familienverbänden. Die sind manchmal ein Fluch, aber auf der anderen Seite werden wir unruhig, wenn wir zu lange keine große Gruppe um uns haben. Dann vermissen wir die wilden Diskussionen.« Lachend lotst er mich auf die Terrasse. Während ich mich auf einem Korbstuhl niederlasse, erwacht in mir der Wunsch, meine Reise sofort abzubrechen, einfach hierzubleiben und nie wieder unter Menschen zu gehen. Ich könnte mich von den wilden Feigen und Orangen ernähren, die hier im Garten wachsen. Carla schreibe ich einfach eine SMS: »Meer statt Männer, Feigen statt Feiglinge, Wein statt Weinen, ich bleib hier! Such dir einen anderen Deppen, der sich für ein bisschen Ruhm in einer Frauenzeitschrift weiterhin mit den Primaten dieser Welt herumschlägt! Buona fortuna! «
Insgeheim habe ich es ihr immer noch nicht ganz verziehen, dass sie mich aus meinem bequemen Selbstmitleid gerissen und auf die Reise in den Süden geschickt hat. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mit jeder Sekunde, in der ich diesen unglaublichen Blick genießen darf, versöhnlicher gestimmt werde.
Langsam beginnt es zu dämmern. Vor uns versinkt die rotebendsonne kuschelrockcovermäßig im Meer. Wir beobachten die weißen Boote, kleine helle Tupfer, die vom Meer landwärts streben, um rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit den Hafen zu erreichen.
»Komm, bellezza , wir gehen essen. Ich kenne ein gutes Restaurant im Hafen von Portofino, da gibt es köstliche Pesto-Lasagne und fantastische Schwertfischravioli. Und erst die Pannacotta ... «, unterbricht Fidelio meine Gedanken. Ich beschließe, mein Aussteigerleben samt Feigendiät noch einmal zu verschieben, und folge ihm zum Auto. Da ich mich weigere, meinen Wagen rückwärts aus der Ausfahrt den schmalen Hang hoch zu fahren, nimmt Fidelio mir die Autoschlüssel ab. Geschickt lenkt er meinen Wagen zurück auf die Straße, immer haarscharf am Abgrund vorbei. Erstaunlicherweise gelingt es ihm, mein Auto ohne einen einzigen Kratzer zu wenden, bis es in Fahrtrichtung auf der Straße steht.
Während ich Fidelio bedeute, sitzen zu bleiben, steige ich auf der Beifahrerseite ein und überlasse ihm das Steuer, was ich bereits wenig später bereue. In atemberaubendem Tempo brettert er die engen Bergstraßen hinunter Richtung Meer. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, und bewahre so lange die Fassung, bis Fidelio bei ungebremster Geschwindigkeit den Blick von der Straße abwendet, die linke Hand vom
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