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Ave Maria - Roman

Ave Maria - Roman

Titel: Ave Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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den sie hatte, wenn sie nichts fühlen wollte oder zu viel gefühlt hatte. O mein Gott!
    Die Frau, die ich als Mary Wagner kannte, hatte vor über sechsundzwanzig Jahren ihre drei Kinder getötet. Aber sie hatte das Verbrechen komplett verdrängt.
    Ich schob den Stuhl zurück und atmete tief durch.

    Jetzt war ich endlich im Zentrum des Labyrinths angelangt. Jetzt war es an der Zeit, meinen Weg wieder hinauszusuchen.

107
    »Neunzehnhundertdreiundachtzig, was? Das ist ja nicht mal unser Jahrhundert. Okay, bleiben Sie eine Sekunde lang dran. Ich werde Ihnen helfen, wenn ich kann.«
    Ich saß da und hörte mehrere Minuten lang, wie jemand am anderen Ende der Telefonleitung auf Tasten tippte und mit Papier raschelte.
    Der Tipper und Raschler war Agent Barry Medlar in der Außenstelle des FBI in Albany. Er war der Koordinator in Albany für die Spezialabteilung »Verbrechen an Kindern«. Jedes FBI-Büro hatte eine Abteilung für VAK, und Albany hatte die Übersicht über ganz Vermont. Ich wollte so nahe wie möglich an die Quelle vordringen.
    »Da haben wir’s«, sagte Medlar. »Moment, da ist sie …
    Constantine, Mary, Dreifachmord am zweiten August, verhaftet am zehnten. Ich lass mal den Rest schnell durchlaufen. Okay, hier. Am ersten Februar des folgenden Jahres mit einem vom Staat ernannten Pflichtverteidiger. Urteil: Nicht schuldig aufgrund von Geisteskrankheit.«
    »Nicht schuldig aufgrund von Geisteskrankheit«, wiederholte ich langsam.
    Sie hatte sich also keinen eigenen Anwalt leisten können. Wegen ihr war kein großer legaler Wirbel gemacht worden. Nicht schuldig aufgrund von Geisteskrankheit kann sehr schwierig zu beweisen sein. Es muss schon ein ziemlich eindeutiger Fall gewesen sein, wenn das Urteil so schnell gefällt worden war.
    »Wohin hat man sie verbracht?«, fragte ich.

    »Vermont State Hospital in Waterbury wahrscheinlich. Ich habe hier keine Verlegungsunterlagen, aber diese Station ist nicht gerade überfüllt. Ich kann Ihnen einen Namen und eine Nummer besorgen, wenn Sie mehr wissen wollen.«
    Ich war kurz versucht, ihm zu sagen, er solle gefälligst alles herausfinden, aber eigentlich erledigte ich meine Telefonate lieber selbst. Ich schrieb mir die Nummer des Vermont State Hospitals auf.
    »Welcher Methode hat sich Mary Constantine bedient?«, fragte ich Medlar. »Was haben Sie über die Morde?«
    Ich hörte wieder Rascheln und dann: »Unglaublich.«
    »Was?«
    »Hat Ihre Mary Smith nicht eine Walther PPK in Los Angeles benutzt?«
    »Ja, warum?«
    »Dito hier. Walther PPK, Waffe wurde nie gefunden. Sie muss sie vergraben haben.«
    Ich machte mir die ganze Zeit, während er sprach, wie ein Verrückter Notizen. Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass er meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte.
    »Okay, Agent Medlar. Hier ist, was ich brauche: Besorgen Sie mir einen Kontakt zu dem örtlichen Polizeirevier, das für Mary Constantine zuständig gewesen sein könnte. Außerdem möchte ich alles, was Sie in Ihren Unterlagen haben. Schicken Sie mir, was Sie elektronisch gleich senden können, den Rest per Fax. Und ich meine alles. Ich gebe Ihnen meine Handynummer, falls Sie noch etwas finden, das erwähnenswert ist. Ich bin unterwegs.«
    Ich stopfte einige Papiere in meine Aktentasche, während ich noch mit Medlar sprach.
    »Noch eine Frage. Welche Fluglinien fliegen nach Vermont?«

108
    Acht Stunden und dreitausend Meilen später saß ich in dem kleinen gemütlichen Wohnzimmer von Madeline und dem ehemaligen Sheriff Claude Lapierre am Rand von Derby Line, Vermont. Es war ein winziges Dorf, so niedlich wie ein Kalenderfoto, das buchstäblich an der kanadischen Grenze klebte. Die örtliche Haskell Free Library und das Opera House waren zufällig auf die Grenze gebaut worden. Zuweilen standen Wachposten dort, um illegale Grenzüberschreitungen zu verhindern.
    Also wirklich kein Ort, von dem man annehmen konnte, dass die Polizei dort sehr beschäftigt war. Dort hatte Mary Constantine ihr ganzes Leben lang gelebt - bis zu dem Zeitpunkt, als sie ihre drei kleinen Kinder getötet hatte. Ein entsetzliches Verbrechen, das vor zwanzig Jahren landesweit Schlagzeilen gemacht hatte.
    »Was war für Sie das Auffallendste an diesem Fall, wenn Sie sich erinnern?«, fragte ich Mr Lapierre.
    »Das Messer. Ganz bestimmt das Messer. So wie sie das Gesicht des armen kleinen Mädchens zerschnitten hat, nachdem sie alle drei getötet hatte. Ich war siebenundzwanzig Jahre Sheriff für Orleans County, aber das war das

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