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Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst

Titel: Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Mishani
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unbedingt sein stärkstes Fach ist. Er ist ein sensibler, angenehmer, introvertierter Halbwüchsiger, wie ich Ihnen bereits sagte. Sie können sich vorstellen, dass ich viel mit Jugendlichen zu tun habe, und Ofer ist besonders. Ich glaube, es hat sich ein enger Kontakt zwischen uns entwickelt.«
    »Und er hat Ihnen nicht von der Absicht erzählt wegzulaufen, hatte er vielleicht Selbstmordgedanken, Probleme in der Schule?«
    »Nein, nicht einmal ansatzweise. Wir haben hauptsächlich über sein Englisch gesprochen, und er hat weder von Selbstmord geredet noch davon wegzulaufen.«
    »Also, Sie sagen, dass er keine Probleme hatte?«
    »Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, wir haben darüber nicht gesprochen. Und darf man fragen, warum Sie sagen: ›hatte‹? Das ist erschreckend.«
    »Oh, Entschuldigung, das ist so die Sprachregelung.« Damit stand sie auf, sagte: »Warten Sie eine Sekunde, ich muss etwas fragen.« Dann ging sie in die Küche.
    Ein absonderlicher Augenblick: Er wusste nicht, ob er in seiner eigenen Wohnung von seinem Platz aufstehen durfte. Einen Moment später kam sie mit Michal und dem zu kurz geratenen Polizisten wieder, aber alle drei wandten sich Richtung Tür. Seev erhob sich und schloss sich ihnen an. Das war die dritte Überraschung.
    »Ich habe von Ihrer Frau erfahren, dass Sie Ofer Privatunterricht gegeben haben«, sagte der Polizist. »Es kann sein, dass ich später noch einmal wiederkomme und Ihnen ein paar Fragen stelle. Fürs Erste vielen Dank für Ihre Mithilfe.«
    Das Treppenhaus war unbeleuchtet und still, als wäre die Suche bereits beendet. Sie standen zu beiden Seiten der Schwelle. Auf der einen Seite der Polizist und die Polizistin im Dunkeln, auf der anderen Seite ein Mann und eine Frau mit einem Baby.
    Seev antwortete: »Gern geschehen, obwohl ich nicht weiß, inwieweit wir behilflich waren. Ich würde mich freuen, mehr tun zu können. Wenn Sie zum Beispiel Unterstützung bei den Suchmaßnahmen benötigen. Ich weiß nicht, wie Ihre Pläne aussehen. Haben Sie vor, die Nacht hindurch zu suchen?«
    Der Polizist schien überrascht, als hätte er noch keinen Gedanken an die Möglichkeit verschwendet, auch nachts zu suchen. Seev tastete nach dem Lichtschalter an der Wand neben der Tür, und als die Treppenhausbeleuchtung anging, sah er, dass der Name des Polizeibeamten Avraham Avraham war und dieser eine Zigarettenschachtel aus der Tasche geholt hatte.
    »Danke«, erwiderte Avraham. »Es kann sein, dass wir eine großangelegte Suchaktion durchführen werden, aber wir wissen noch nicht genau, wo und wann. Sollten wir ein Gebiet systematisch durchkämen, würden wir uns freuen, auf Ihre Hilfe und die der anderen Nachbarn zählen zu können.« Er sprach noch immer mehr zu Michal als zu Seev.
    Seev entschloss sich zu fragen: »Haben Sie eine Vermutung, wo Ofer sein könnte?«
    Avraham wirkte angespannt. »Leider noch nicht. Wir hoffen, ihn möglichst schnell zu finden.« Und mit einem Mal sah er Seev an und fragte: »Aber vielleicht haben Sie eine?«
    Er war überrascht von der Direktheit, mit der Avraham die Frage stellte. Die Treppenhausbeleuchtung erlosch, und Seev schaltete sie erneut ein. Zum ersten Mal seit dem Eintreffen der Polizisten hatte er das Gefühl, dass jemand mit ihm sprach. Aber er sagte nur: »Ich wünschte, ich hätte eine.«
    Ihre Wohnungstür war die einzige im ganzen Haus, an der kein Namensschild hing, sondern lediglich kleine Werbeaufkleber für Schlüsseldienste, Klempner und Elektriker und ein dreieckiger Magnet von Pizza Centro. Die Polizistin hatte ihn noch nicht einmal nach seinem Namen gefragt.

    Während sie Ilay badeten, fragte Seev Michal wie nebenbei: »Nu, was haben sie dich gefragt?« Insgeheim ärgerte er sich, dass sie ihm dieselbe Frage noch nicht gestellt hatte, und vor allem, dass sie ihm nicht von sich aus erzählte, wie das Gespräch mit dem ranghöheren Polizisten verlaufen war. Seine Enttäuschung über Avi Avrahams Entschluss, sich zunächst mit Michal zu unterhalten, war noch nicht verflogen, ja, sie saß nach dem kurzen, provozierenden Wortwechsel mit dem Polizisten an der Tür sogar noch tiefer.
    »Sicher dieselben Fragen, die sie dir auch gestellt haben«, antwortete Michal. »Inwieweit ich Ofer kenne, ob mir etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist, ob ich hier Freunde von ihm oder Leute gesehen habe, mit denen er sich herumtreibt und die mir komisch vorgekommen sind.«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Gar nichts. Dass du ihm Anfang des

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