Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst

Titel: Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Mishani

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verstehen. Auch das Nichtvorhandensein von Anhaltspunkten kann, und das haben wohl Eyal und Eliyahu angedeutet, Indiz für etwas sein, obgleich ich im Moment noch nicht weiß, wofür. Ich möchte, dass wir unsere Aufmerksamkeit gleichermaßen auf das richten, was wir haben, wie auf das, was wir nicht haben, und uns nicht auf eine Möglichkeit einschießen.«
    Sie schaute ausgerechnet Avraham an. Dann fragte sie: »Avi, hast du die Protokolle von Ofers Handygesprächen der letzten Wochen angefordert?«
    Er antwortete: »Nein, bin ich noch nicht dazu gekommen, mach ich jetzt gleich.«
    »Hab ich bereits gemacht«, warf Schärfstein lässig ein. »Für das ganze letzte Jahr. Ich habe heute Morgen mit den Leuten von Cellcom gesprochen, und wie immer brauchen sie ein, zwei Tage, aber ich habe gute Kontakte dort und werde versuchen, ein bisschen Dampf zu machen. Ich geh die Protokolle durch, sobald sie da sind.«
    Im Raum herrschte die produktive Atmosphäre, die entschlossene Stimmung bei einer beginnenden Ermittlung, da die unterschiedlichen Aufgaben auf die Teammitglieder verteilt waren und jeder sich nun daranmachte, seinen Teil zu erfüllen. Nur Avraham Avraham verspürte tiefe Müdigkeit, eine Art allgemeine Erschöpfung des Körpers und der Seele, wie sie ihn für gewöhnlich nur am Ende einer Ermittlung oder in den Ferien überkam. Er überlegte, ob er Ilana nicht doch bitten sollte, ihn von dem Fall zu entbinden. Und er hoffte, sie würde seine Erschöpfung spüren.
    Schärfstein sprach unterdessen weiter: »Außerdem habe ich heute Morgen angefangen, die Straftaten der letzten Wochen in der näheren Umgebung durchzusehen. Um festzustellen, ob jemand in Sharabis Straße oder im Viertel eine kriminelle Vergangenheit hat, ob in der Gegend bekannte Straftäter wohnen. Meiner Meinung nach sollten wir auch die Liste der Straftaten durchgehen, die mit der Schule in Verbindung stehen. Vielleicht bringt uns das nichts, aber schaden kann es nicht.«
    »Sehr gut, ein ausgezeichneter Vorschlag«, sagte Ilana. »Aber stimme dich mit Avi ab, damit ihr nicht doppelte Arbeit leistet, und sieh auch das Material durch, das von den IT -Fachleuten kommt. Sie sollen dir so viele Informationen wie möglich geben. Setz dich einfach hin und lies alles durch. Ich habe mit Eliyahu vereinbart, dass er noch einmal in die Schule geht und Ofers Klassenkameraden befragt, und wenn nötig ziehen wir noch einen zusätzlichen Ermittler vom Jugenddezernat ab. Die weiteren Vernehmungen der Familienangehörigen teilt ihr unter euch auf.«
    Schärfstein fragte Eliyahu, ob es möglich sei, alle Schüler der Schule auf Vorstrafen abzuklopfen, und Eliyahu erwiderte, möglich sei alles, und notierte sich etwas in einem winzigen Notizbuch, das er aus der Innentasche seiner Windjacke hervorzog.
    »Wir sollten auch überlegen, wie wir mit den Medien umgehen wollen«, schlug Schärfstein vor. »Vielleicht sollten wir eine kurze Meldung in einer der Hauptnachrichtensendungen plazieren, denn von sich aus werden die wohl kaum darauf kommen.« Es gab keinen Polizisten im ganzen Distrikt, der nicht wusste, dass Eyal Schärfsteins Schwester die Nachrichtensendungen für Kanal 10 produzierte und dass Schärfstein jede noch so läppische Ermittlung zu einem Aufmacher in den Nachrichtenjournalen machen konnte.
    Avraham Avraham interessierte sich immer weniger für das Gesagte. Als er am frühen Morgen aufs Revier gekommen war, hatte er das Adrenalin in seinen Adern gespürt und war überzeugt davon gewesen, dass die Besprechung bei Ilana der Ermittlung, die in den Dünen versandet war, wieder Leben einhauchen würde. Ja, für einen Moment hatte er sich sogar zu der Hoffnung hinreißen lassen, die Ermittlung könnte noch am selben Tag abgeschlossen werden. Seitdem war irgendetwas schiefgelaufen.
    »Lasst uns noch ein bisschen abwarten, ehe wir uns an die Fernsehredaktionen wenden«, sagte Ilana. »Ich möchte nicht, dass wir im Fernsehen Informationen verbreiten, deren Bedeutung wir noch nicht überblicken. Ach, und noch etwas. Der Vater. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist er ab heute wieder in der Stadt. Er ist in Cholon im Ortsverband der Arbeitspartei aktiv und ein hohes Tier im Betriebsrat der Containerschifffahrtslinie ZIM . Ich hab bereits Anrufe von Leuten bekommen, die wissen wollten, wie wir vorankommen und was wir unternehmen, um seinen Sohn wohlbehalten nach Hause zu bringen. Mehr muss ich euch dazu wohl nicht sagen.«
    Die drei Ermittler erhoben sich