Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst
von ihren Plätzen und Eliyahu Maalul sagte: »An die Arbeit.« Als Avraham Avraham ihn fragte, warum er eine Windjacke anhabe, antwortete er: »Wie meinst du das, Avi? Gegen den Wind natürlich.«
Ilana öffnete das große Fenster zur Straße und stellte einen kleinen Glasaschenbecher auf den Tisch. Die frische Luft ließ Avraham ein wenig zu sich kommen, und auch der Lärm des Busverkehrs aus der Salame-Straße machte ihn munterer.
»Du siehst verheerend aus«, sagte Ilana.
Er zündete sich eine Zigarette an und erklärte: »Ich bin müde.«
»Geht es um Mittwochabend?« Ihre Stimme klang intimer, jetzt, da sie allein im Zimmer waren.
»Ich weiß nicht.«
»Mach dir wegen Mittwochabend keinen Kopf. Du hast eine Entscheidung getroffen, die vielleicht richtig war oder auch nicht, die man aber im allgemeinen Kontext der Polizeiarbeit verstehen und genauso gut rechtfertigen kann. Wie auch immer, es ist sinnlos, dass du dich damit herumquälst. Du hast eine komplizierte Ermittlung, die du jetzt schnell, aber konzentriert und mit klarem Verstand führen musst. Möchtest du einen Kaffee? Wir haben noch zehn Minuten.«
Er sah sie erstaunt an. »Mit klarem Verstand?«, wiederholte er.
»Ja, mit klarem Verstand. Eine Ermittlung lässt sich nicht aus Schuldgefühlen heraus führen, zumal wir noch nicht einmal wissen, ob wir einen Grund haben, uns schuldig zu fühlen. Ich weiß, du kannst das. Wir arbeiten lange genug zusammen.«
»Sicher habe ich einen Grund. Selbst wenn wir herausfinden, dass es nichts geändert hätte, hätte ich sie nicht wegschicken dürfen, ohne etwas zu unternehmen. Und ich habe ihr noch einen Vortrag darüber gehalten, dass sie sich unnütz Sorgen machen und Ofer noch in derselben Nacht zurückkommen würde.«
»Über den großen Unbekannten und warum es keine Kriminalromane auf Hebräisch gibt? Ich dachte, du hättest geschworen, damit aufzuhören?«
Sie versuchte es ihm mit ihrem breiten Lächeln und einer Extraportion Sanftheit in ihrer Stimme leichter zu machen. Immerhin kannten sie sich jetzt seit fast neun Jahren. Bevor sie in den Rang eines Polizeivizekommandanten befördert und zur leitenden Beamtin des Ermittlungsdezernats ernannt worden war, war Oberinspektor Ilana Liss eine der angesehensten Ermittlerinnen des Polizeibezirks Tel Aviv gewesen. Einige Monate nachdem Avraham seinen Polizeioffizierslehrgang beendet und seinen Dienst im Ayalon-Distrikt angetreten hatte, war er einem Team unter ihrer Führung zugeteilt worden, das gegen einen bulgarischen Rechtsanwalt ermittelte, der seine recht betagten Kunden um Millionen Schekel betrogen haben sollte. Ilana hatte in einer Offenheit mit ihm über ihre Gedanken und Befürchtungen bei den Ermittlungen gesprochen, die ihn fassungslos gemacht hatte. Und sie hatte seinen Ideen und Vorschlägen aufmerksam zugehört. So hatten sie gemeinsam eine Strategie entwickelt, die den Rechtsanwalt nach ungezählten Stunden ermittlungstechnischer Knochenarbeit schließlich zu Fall brachte. Avraham war schlichtweg begeistert gewesen von Ilanas Fähigkeit, ein Gefühl von Vertrauen und Nähe herzustellen. Bisher war er weder bei der Polizei noch privat einem Menschen wie ihr begegnet. Um den Sieg zu feiern, hatte sie ihn damals in ihr altes Büro eingeladen, und sie hatten bis drei Uhr morgens Rotwein aus Plastikbechern getrunken. Sie sagte, er habe einen gewaltigen Beitrag für den Erfolg der Ermittlungen geleistet und dass sie es genossen habe, mit ihm zu arbeiten. Daher wolle sie ihn bei künftigen Ermittlerteams unter ihrer Leitung gern dabeihaben. Also hatten sie auf ihre Zusammenarbeit angestoßen. Und in den darauffolgenden Jahren hatten sie, bevor Ilana befördert wurde, tatsächlich fast immer zusammengearbeitet und waren einander nähergekommen. Mehrmals hatte er auch ihren Mann getroffen, bei Familienfeiern oder dienstlichen Empfängen. Und er hatte in ihrem Büro gesessen, als die Soldaten vom Büro des Stadtoffiziers erschienen waren, um ihr die Nachricht vom Tod ihres Sohnes zu überbringen. Er hatte sie im Arm gehalten, als sie zusammengebrochen und ohnmächtig geworden war, und hatte sie schließlich in seinem Wagen zur Ausbildungsbasis nach Zeelim gefahren. Sie war allem Anschein nach der Mensch, der ihm am nächsten stand, obgleich er mit ihr so gut wie nur über die Arbeit sprach.
»Weiß du, was am schwierigsten an Vermisstenfällen ist?«, fragte sie jetzt. »Dass man erst, wenn der Vermisste gefunden wurde, weiß, ob man alles
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