AVOCADO ZUM FRÜHSTÜCK
längst überfällig! Farbig sollten die Wände werden und fröhlich die Gestaltung. Mitten im eiskalten Winter putzten, arrangierten, reparierten und strichen wir unser Heim also, Zimmer für Zimmer während um uns herum ein ziemliches Chaos wuchs und mit wanderte und wir zum Lüften nach dem Streichen kaum ein Fenster öffnen konnten ohne eine Erkältung zu riskieren. Dunkellila war die Wohnzimmerwand, hellgrün das Schlafgemach, Zitronengelb das Bad und die Piece de Résistance: aquamarin die Küche mit ihren Möbeln aus Edelstahl und Glas. Eine Verwandlung wie von Nacht zu Tag hatte in den zwei adventlichen Wochen stattgefunden und wir waren endlich daheim. Noch dazu konnte Patrick, obwohl er fast täglich auf Dienstreise ging, meist daheim schlafen denn seine Basis war nun in Köln.
Eine harmonische Zeit begann in der wir uns abwechselnd leckeres Essen kochten, lange Abende am neuen Großbildfernseher verbrachten oder gemütlich an Wochenenden ausgingen. Nicht aber ganz so oft und ausgiebig wie früher. Wir hatten in der Szene, wo man sich eher als Single auf der Suche blicken lässt, nicht mehr allzu viel verloren. Eher würden wir samstags ganztägig in der Stadt shoppen gehen oder aber auch Urlaubspläne schmieden. Nebst Reisen nach Südafrika zu meinen Eltern, die wir gemeinsam zwei Mal unternahmen, hatte uns die Pauschalurlaubsindustrie für sich gewonnen und sollten wir bis zu drei Mal jährlich ein bis zwei Wochen auf einer Insel im südlichen Europa verbringen. Teneriffa war das Ziel im ersten Jahr unseres Zusammenwohnens. Nicht nur verbrachten wir so viel Zeit wie möglich am Strand, sondern mieteten uns immer ein Auto um die jeweilige Inselwelt zu erkunden und hunderte, ja tausende Bilder zu schießen. Die Qualität der Fluglinie und des Hotels waren dabei immer zweitrangig: Hauptsache war es, von A nach B zu kommen und dort ein Bett zum Schlafen zu haben. Wir lebten und genossen das Leben als kinderloses Paar ohne jedoch jemals zu übertreiben – unsere Sparkonten wuchsen zum Neid unseren Freunden und KollegInnen.
Unterbewusst kam ich mir, im Nachgang betrachtet, jedoch immer vor wie im verlängerten Exil. Auf einer Reise nach Kapstadt, wo wir eine Woche wohnten bevor es zum nahe liegenden Paradies ging, wo meine Eltern nun wohnten, stellte ich mich meiner größten Sorge: was wäre wenn (Patrick und) ich nach Südafrika ziehen würde(n)? Dort gab es doch keine gute Krankenkasse, die alles zahlte, oder vernünftige medizinische Versorgung? Würde ich mir das leisten können, denn in Deutschland waren die Preise meines Medikaments erschreckend hoch. Ein spontanes Gespräch mit einem freundlichen Apotheker an der Waterfront klärte mich auf und sollte mein Leben, wenn auch auf langer Sicht, noch einmal ändern: Südafrika hatte am schwersten unter HIV und AIDS zu leiden gehabt und dafür hatte die Regierung, nach einem zu späten Erwachen, viel in die Wege geleitet. Man konnte jeder Krankenkasse beitreten ohne dass man Fragen nach einer HIV-Infektion beantworten musste. Hatte man einen vertrauenswürdigen Arzt, war die übliche dreimonatliche Versorgung überhaupt kein Problem. Und last but not least: ich konnte mir die vergleichsweise sehr geringen, gesetzlich festgelegten und staatlich bezuschussten Preisen der Medikamente locker leisten.
Ich wollte mittlerweile eigentlich in Deutschland alt werden, doch diese Auskunft gab mir das, worum mich viele beneiden würden: einen Ausweg, sobald sich mein vom Alltag unterdrücktes, unterbewusstes Heimweh einmal durchsetzten sollte. Zum zweiten Mal beging ich den langen bürokratischen Weg und verlängerte meinem südafrikanischen Pass und damit meine doppelte Staatsangehörigkeit. Wer bist du? Ich bin Thomas, deutsch-Südafrikaner oder doch südafrikanischer Deutscher? Teufel allein weiß es.
Ek het ‘n huisie by die see, dis nag
Ek hoor aan een, aaneen die golwe slaan
Teenaan die rots waarop my huisie staan
Met al die oseaan se woeste krag
-Xai-Xai-
Schweren Herzens verließ ich, nachdem man mich frühmorgens wieder mit allen Kräften helfen musste, das Auto im Gang zu kriegen, V ilankulo in südwestlicher Richtung. Langsam wollte ich heim, daher versuchte ich an dem Tag, so weit wie nur möglich zu fahren. Dabei tat mir die Republik Mozambique endlich einmal einen riesigen Gefallen: ab der Ausfahrt von Vilankulo war die Hauptstraße in einem Zustand, den ich noch nie anderswo besser erlebt hatte – inklusive Deutschland. Glatt, breit
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