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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Wasser des Flusses sinkt und Mißernten drohen, oder wenn heiße Asche vom Himmel fällt, oder Erdbeben das Land erschüttern, oder Seuchen ausbrechen. Sonst lassen wir sie in Ruhe, es sei denn, sie greifen uns an, denn obwohl jeder Mann im Waffendienst geschult ist und kämpfen kann, wenn es sein muß, sind wir doch ein friedliches Volk, das den von den Vätern ererbten Boden bestellt und dabei reich wird. Seht euch um. Ist es nicht ein Bild des Friedens?«
    Wir standen auf und blickten uns um. Das Land war fruchtbar. Überall sahen wir Herden von Rindern, die auf den Wiesen grasten, oder kleine Gruppen von Mulis und Pferden, oder sauber abgegrenzte Felder mit frischen Saaten, dazwischen Raine mit Reihen von Bäumen oder Büsche. Dorfbewohner, in lange, graue Tuniken gekleidet, arbeiteten auf den Feldern, andere, die ihr Tagewerk bereits hinter sich hatten, trieben ihre Tiere auf Wegen, die an den Ufern der Bewässerungskanäle verliefen, auf die kleinen Dörfer zu, die auf flachen Hügeln gelegen waren.
    Im Kontrast zu den kargen Wüsten und den weglosen Bergen, in denen wir so viele Jahre umhergezogen waren, erschien uns dieses Land, das sich vor uns im rötlichen Licht der sinkenden Sonne ausbreitete, wie ein Paradies. Man konnte verstehen, daß diese Bauern friedliebende Menschen waren, und daß ihr Reichtum für die hungrigen, halbwilden Stämme in den Bergen eine starke Verlockung sein mußte.
    Es war auch verständlich, daß die Überlebenden von Alexanders Legionen unter ihrem ägyptischen General, die durch den Eisgürtel der Berge in dieses Land vorgestoßen waren, beim Anblick dieser herrlichen, reichen Landschaft mit ihren Dörfern, ihren Herden und ihren reich bestellten Feldern wie mit einer Stimme schrien: ›Wir weigern uns, weiter zu marschieren, zu leiden und zu sterben. Hier werden wir bleiben bis zum Ende unserer Tage.‹ Und das haben sie zweifellos getan, und sich Frauen des Volkes genommen, das sie besiegt hatten – wahrscheinlich nach nur einer einzigen Schlacht.
    Jetzt, als es dunkelte, begannen die Rauchschleier, die über dem fernen Feuerberg hingen, tiefrot zu glühen. Je dunkler es wurde, desto heller und feuriger schien das Licht, und plötzlich schossen lodernde Flammen aus dem Schoß des Vulkans, die grelle Lichtstrahlen durch das Auge des riesigen Ringes sandten, der ihn krönte. Der zuckende Lichtstrahl reichte weit, weit ins Land hinein und färbte die schneebedeckten Gipfel der südlichen Bergkette blutrot. Er hing wie eine feurige Bahn hoch in der Luft, und diese Lichtbahn führte über die Dächer Kaloons und über uns hinweg, über den Fluß, die Ebene, die Berge und sicherlich – obwohl wir ihren weiteren Verlauf nicht erkennen konnten – über die Wüste bis zu dem hohen, isolierten Berg, auf dessen Gipfel wir damals gelegen und uns in seinem Licht gebadet hatten. Es war ein wunderbarer und zugleich unheimlicher Anblick, der unsere Begleiter mit Furcht erfüllte, denn der Steuermann unseres Bootes und die Pferdeführer auf dem Treidelweg begannen laut zu stöhnen und zu beten.
    »Was sagen sie?« fragte Leo den Schamanen.
    »Sie sagen, daß der Geist des Berges zornig ist und jenes fliegende Licht ausschickt, das die ›Straße der Hes‹ genannt wird, um unserem Land Schaden zu bringen. Und dann flehen sie die Göttin an, sie nicht zu töten.«
    »Scheint das Licht denn nicht immer so?«
    »Nein, nur sehr selten. Einmal vor etwa drei Monaten, und heute nacht wieder, doch davor viele Jahre lang nicht. Laßt uns beten, daß es kein Unglück für Kaloon und seine Bewohner bringt.«
    Einige Minuten lang dauerte die unheimliche Illumination, dann erlosch sie so plötzlich, wie sie aufgeflammt war, und nur die mattrot leuchtenden Wolkenschleier blieben über dem Gipfel zurück.
    Kurz darauf ging der Mond auf, eine helle, strahlende Kugel, und bei seinem Licht sahen wir, daß wir die Stadt fast erreicht hatten. Doch wir sollten noch etwas sehen, bevor wir sie betraten. Während wir schweigend im Boot saßen – die Stille der Nacht wurde nur von dem sanften Plätschern der Wellen gegen die Bootswand unterbrochen –, hörten wir plötzlich aus der Ferne Geräusche wie von einer wilden Hetzjagd.
    Näher und näher kamen sie, wurden von Sekunde zu Sekunde lauter. Jetzt konnten wir sie unterscheiden: die Hufschläge eines Pferdes in vollem Galopp. Und dann sahen wir ein schönes, schneeweißes Pferd, auf dessen Rücken ein Mann saß. Es galoppierte den Treidelpfad entlang, nicht

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