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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er sich selbst einredete, um den Moment der Heimkehr entsprechend zu genießen, in Wahrheit aber wohl eher, um Zeit zu gewinnen. Mit ein wenig Glück war sein Vater nicht zu Hause, aber irgend etwas sagte ihm, daß das nicht der Fall sein würde. Und jetzt hatte es keinen Zweck mehr, es zu leugnen: Er hatte Angst, ihm gegenüberzutreten. Ob Prein nun Wort gehalten hatte oder nicht - ihm stand ein nicht sehr angenehmes Gespräch bevor. Und nach dem, was er in den letzten Stunden erlebt und über sich selbst erfahren hatte, war er ganz und gar nicht mehr sicher, daß er wirklich als Sieger daraus hervorgehen würde.
    Sie waren noch fünf Meter von der Haustür entfernt, als sie geöffnet wurde. Das elektronische Schloß vorne am Tor stellte nur einen Bruchteil der Ausstattung dar, mit der sein Vater das Haus in den letzten Jahren in eine High-Tech-Festung verwandelt hatte, auch wenn man es ihm nicht ansah. Sie waren natürlich längst entdeckt und von einem halben Dutzend mißtrauischer Kameraaugen beobachtet worden. Den Vorteil der Überraschung würde er in dieser Konfrontation auf keinen Fall mehr auf seiner Seite haben.
    Aber es war nicht sein Vater, der ihnen die Tür öffnete, sondern Marianne, dessen Haushälterin. Mark war im ersten Moment erleichtert, sie zu sehen statt seines Vaters oder einen der anderen Angestellten. Marianne war ins Haus gekommen, als er noch ein Baby war, und sie gehörte nicht nur schon praktisch zum Inventar, sondern war auch zu etwas wie einer mütterlichen Freundin geworden; vielleicht der einzige wirkliche Freund den er in diesem Haus noch hatte, seit seine Mutter nicht mehr da war.
    Ein einziger Blick in ihr Gesicht beantwortete Mark die Frage, die ihn auf dem Weg vom Tor bis zum Eingang am meisten bewegt hatte: ob Prein Wort gehalten hatte oder nicht. Er hatte offensichtlich.
    Marianne war nicht überrascht, ihn zu sehen. Sie hätte es sein müssen, auch wenn sie ihn schon ein paar Augenblicke eher auf einem Monitor erkannt hätte, aber der einzige Ausdruck, den Mark auf ihrem Gesicht las, war eine vage Spur von Trauer und eine sehr deutliche Bedrückung, die ihn alarmierte. Sein Vater wußte offensichtlich nicht nur bereits, daß er kam, sondern hatte auch schon den einen oder anderen Kommentar abgegeben.
    »Hallo, Marianne«, sagte er. Und als hätte der Klang seiner Stimme einen unsichtbaren Bann gebrochen, verschwand der bekümmerte Ausdruck von ihrem Gesicht und machte einer ehrlich empfundenen Freude Platz. Die Haushälterin machte einen halben Schritt auf ihn zu und setzte zu einer Bewegung an, ihn in die Arme zu schließen. Aus irgendeinem Grund tat sie es dann schließlich doch nicht, doch Mark nahm ihr die Entscheidung ab, indem er seinerseits die Arme ausbreitete und sie kurz, aber heftig an sich drückte.
    »Wie schön, daß Sie da sind, Herr Sillmann«, sagte sie ein wenig atemlos, nachdem er sie wieder losgelassen und auf halbe Armeslänge von sich geschoben hatte.
    Mark zog die linke Augenbraue hoch.  Herr Sillmann? Das letzte Mal waren wir noch per du.«
    Seine Worte brachten Marianne sichtlich in Verlegenheit. »Das letzte Mal ist - «
    » - ein knappes halbes Jahr her«, fiel ihr Mark ins Wort. »Sie wollen sich doch nicht etwa mit mir streiten, oder? Denken Sie immer daran: Sie stehen Ihrem zukünftigen Boß gegenüber, auch wenn es vielleicht noch ein paar Jahre dauert. Ve r derben Sie es sich lieber nicht mit ihm.«
    Der nächste Scherz, der danebenging. Marianne lächelte zwar, aber es wirkte nicht überzeugend; nicht einmal überzeugend geschauspielert. Anscheinend war er heute mit einer Art Fluch beladen, alle und jeden irgendwie zu verärgern.
    Um den peinlichen Moment irgendwie zu überspielen, räusperte er sich zweimal und deutete dann auf den Taxifahrer, der in einigen Schritten Entfernung stehengeblieben war und die Szene mit unbewegtem Gesichtsausdruck verfolgte. »Seien Sie so lieb und bezahlen Sie das Taxi, Marianne«, bat er. »Und geben Sie dem Mann ein gutes Trinkgeld. Es wird meinen Vater nicht ruinieren. Wo ist er überhaupt? Ist er im Haus?«
    Marianne nickte. »Ja. Er ist im Arbeitszimmer. Aber er hat gerade Besuch. Vielleicht sollten Sie ihn jetzt nicht stören.«
    »Du«, verbesserte Mark sie. »Und ich glaube nicht, daß ich ihn noch weiter verärgern kann, als ich es schon getan habe.«
    »Aber Sie... du solltest jetzt wirklich -«
    Mark hörte gar nicht mehr zu, sondern trat an Marianne vorbei ins Haus und ging mit schnellen Schritten

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