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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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Plattform hinab und ging auf ihn zu. Die anderen folgten ihm.
    »Mitchell, Luke, ich brauche wieder euer Blut. Wir werden sie aufspüren.«
    Mitchells Magen verkrampfte sich, und Luke erblasste. Als Adarianer konnte Mitchell die Gedanken der Menschen lesen und Luke in ihre Träume eindringen. Dank ihres kombinierten Blutes waren neue Talente entstanden, darunter die hellseherische Gabe, eine Person zu orten.
    Auf diese Weise hatte Kevin mehrmals Sophie Bryce’ Aufenthaltsort festgestellt. Offenbar war er noch nicht zur Kapitulation bereit.
    Jetzt oder nie, dachte Mitchell. Bisher war er blind gewesen. Wenn er weiterhin den Mund hielt, wäre er feige. »Nein«, sagte er. Sein Herz hämmerte. In seinen Ohren rauschte das Blut. Die nächsten Worte fielen ihm unendlich schwer. »Das tun wir nicht.« Die Luft, die ihn umgab, gefror, alle Moleküle erstarrten, die Zeit blieb stehen.
    Langsam drehte Kevin sich um und richtete seine ganze Macht auf Mitchell, sodass sie ihn wie eine Hülle aus Elektronen umgab und ihn zutiefst erschreckte.
    »Möchtest du den anderen etwas mitteilen, Morael?«, fragte Kevin, wobei er Mitchells ursprünglichen Namen benutzte. »Zum Beispiel deine Ansicht, wir wären zu weit gegangen? Und unsere Brüder seien nicht von den vier Erzengeln ermordet worden?« Seine Stimme klang sanft. Zu sanft. Nun trat er einen Schritt vor und umgab seinen Untertan mit einem Vakuum. Seine Worte schien er direkt aus Mitchells Gehirn zu ziehen. »Oder willst du die Gefährten über meinen Wahnsinn informieren? Nur zu, erklär ihnen deine Theorie, ich wäre schuld am Tod unserer Brüder.«
    Mitchells Welt schwankte. Genau das hatte er in den letzten Minuten gedacht – und nicht einmal gespürt, wie Kevin in sein Gehirn eingedrungen war. Für einen Mann, der so oft die Gedanken anderer gelesen hatte, war er erstaunlich unfähig, wenn ihm selbst dergleichen widerfuhr.
    Nun musste er mit seinem Ende rechnen. Natürlich würde er kämpfen. Aber Kevin war stärker, und es gab keine Zweifel an seinem Sieg. Ein grässliches Gefühl, die Gewissheit, das Leben, an das er sich jahrtausendelang gewöhnt hatte, würde ein jähes Ende finden. Auf diese oder jene Weise. Entweder würde er sterben oder ein völlig verändertes Leben führen. Zur adarianischen Familie – zu dem, was davon noch übrig war – würde er nicht mehr gehören, nicht mehr einem Mann gehorchen, an den er glaubte, nicht mehr dessen Freund und Vertrauter sein. Alles, was er war und jemals gewesen war, würde er verlieren. Jetzt.
    Aber da richtete Kevin sich auf und hob die Brauen. Plötzlich wirkte er überrascht, seine blauen Augen betrachteten Luke. »Et tu, Brute?« ,fragte er leise. Nicht mehr so sicher wie zuvor, nicht mehr so empört, eher gekränkt. Sekunden später weiteten sich seine Augen kaum merklich, und er fixierte Ely, der blinzelte und wegschauen wollte. Aber der General hielt seinen Blick. »Auch du, Ely?« Verwirrt schüttelte er den Kopf. »Ausgerechnet du?«
    Ely fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und zuckte die Achseln. »Nun, Adam ist tot. Und Raze, Thane, Paul …« Seine Bernsteinaugen glühten. »Fast alles haben wir verloren. Das muss aufhören. Du bist zu weit gegangen, nichts ist übrig.«
    Eine Zeit lang starrte Kevin ihn an. Sogar die Möwen schwiegen, die Wellen, die gegen die Felsen hätten schlagen müssen, verharrten draußen auf dem Meer. »Also gut«, sagte der General schließlich und schaute die Männer der Reihe nach an, mit einem eigenartigen Ausdruck in den Augen. »Tut mir leid, dass ihr alle so denkt.«
    Er wandte sich ab, und Mitchell sah ihn die Löwenzahnwiese überqueren. Nur die schwachen Strahlen des wolkenverhangenen Mondes beleuchteten Kevins Weg.
    Aber es war noch nicht vorbei. Absolut nicht. Das war Mitchell klar. Was geschehen würde, wusste er nur zu gut. So musste es sein. So weit war es gekommen. Zwölf Brüder, ein Anführer. Damit hatte es begonnen. Jetzt gab es nur mehr drei Brüder und einen Irren. Dies war das Ende ihrer Ära, der Epilog ihrer Geschichte.
    Als Kevin blitzschnell herumfuhr und seine Macht zum letzten Angriff erstrahlte, war Mitchell bereit. So wie Luke und Ely. Weil sie es ebenfalls wussten.
     
    Mein Herz klopft nicht.
    Ein seltsamer Gedanke, nach dem Erwachen, aber das Erste, was er wahrnahm. Immer hatte Kevin seine eigenen Herzschläge gespürt. Sie pochten in seinen Schläfen, an den Innenseiten seiner Unterarme, in den Kniekehlen. Sein Puls war ein ständiger

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