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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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Begleiter gewesen, dumpf und im Hintergrund, aber stets vorhanden, ein sanfter, willkommener Beweis, dass er noch gelebt hatte.
    Und jetzt floss nichts durch seine Arme, da war kein Pochen in den Arterien seines Halses, keine tröstlichen Vibrationen in seiner Brust.
    Wie ist das möglich? Wieso konnte er trotzdem denken, den feuchten Löwenzahn unter den Füßen spüren, das Geschrei der Möwen über der Insel hören, wenn er tot war?
    Er öffnete die Augen, verwirrt, weil er dazu fähig war. Langsam fokussierte sich sein Blick, und er starrte zwei glänzende schwarze Schuhe an, die perfekten Aufschläge einer dunklen Hose.
    »Willkommen«, erklang eine fremde Stimme.
    Zögernd richtete er sich auf. Sein Körper fühlte sich seltsam schwerelos an, obwohl ihn die Totenstarre lähmen müsste. Aber alles bewegte sich so, wie Kevin es wollte, und er hatte keine Schmerzen.
    Er stand auf und musterte den Fremden. Durchschnittlich groß, weder dick noch dünn, schütteres Haar, unscheinbare blaue Augen. Aber eine spürbare Aura. Und Kevin wusste, dass er ohne diesen Mann tot wäre.
    »Da täuschen Sie sich, General«, sagte der Mann, und seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln, »Sie sind vollkommen tot.«
    Darüber wären die meisten Leute entsetzt. Und Kevin hätte erschrecken müssen, weil der Mann seine Gedanken las, was niemand bisher geschafft hatte. Also war er tatsächlich tot. Aber er empfand nichts und ganz gewiss keine Angst.
    »Weil Sie nichts mehr zu verlieren haben, fürchten Sie sich nicht«, erklärte der Mann.
    »Warum haben Sie mich zurückgeholt?« In diesem Moment hielt Kevin das für die einzig logische Frage. Die meisten seiner Brüder waren während der letzten drei Monate getötet worden, unbesiegt schützten die vier Lieblinge des Alten Mannes ihre Sternenengel, seine drei Erwählten hatten ihn umgebracht, und trotzdem interessierte ihn nur, warum der Fremde ihn wiederbelebt hatte.
    Ungläubig hob der Mann die Brauen. »Nein. Nicht ich habe Sie wiederbelebt. Das tat mein Arbeitgeber.« Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, ging er um Kevin herum, betrachtete den schwarzen Löwenzahn, die funkelnde Stadt jenseits der Bucht. Das Gewitter hatte sich verzogen. Gleichmütig fragte sich Kevin, wo der Sternenengel sein mochte, der es entfesselt hatte.
    »Wegen eines Krieges wurden Sie zurückgeholt, General. Einer zugespitzten Situation, sozusagen.« Der Mann blieb stehen und schaute ihn wieder an. »Deshalb braucht mein Boss einen erfahrenen Kommandanten für seine Armee, und er glaubt, Sie würden sich für den Job eignen.«
    Kevin dachte nach und merkte, dass es nichts zu überlegen gab. »Einverstanden«, erwiderte er, als hätte ihm das Wort seit Jahrtausenden auf der Zunge gelegen.

29
    Das Gewitter folgte ihr in einigem Abstand. Az sah die Blitze, die den fernen Horizont erhellten. Dort saß es wie ein riesiges graues Biest und beobachtete seine Herrin, jeden Moment bereit, bei der geringsten Provokation erneut loszubrechen.
    Das Unwetter würde er kontrollieren. Darum sorgte er sich nicht, sondern um den Zorn, der dahintersteckte. Nun konnte er Sophies Gedanken wieder lesen. Wenigstens diese Barriere hatte er überwunden. In seinen Adern floss ihr Blut, zum ersten Mal weibliches Blut.
    Und weil es das Blut seines Sternenengels war, hatte es ihn untrennbar mit Sophie verbunden. Jetzt konnte er mühelos in ihr Gehirn eindringen. Aber was er darin fand, bedrückte ihn.
    Nie zuvor hatte er so leidvolle Bilder gesehen – Polizisten, die sie nach dem Tod ihrer Eltern an die Hand nahmen; Grabsteine; lüsterne Männergesichter; eine Waffe, deren Schuss in ihrer Seele widerhallte. Und dann der Mann in Weiß.
    Nun wusste Azrael, wie Gregori aussah. Beunruhigend, um es milde auszudrücken.
    Er brachte Sophie zu einem verlassenen, an einer Seite von hohen Klippen geschützten Strand. Mit angezogenen Beinen saß sie im Sand, zunächst etwas unsicher. Dann sah sie sich um, strich sich mit bebender Hand durch das schöne lange Haar, und der Wind wehte es ihr sofort wieder ins Gesicht. Das ignorierte sie und wandte sich an Az. »Wo sind wir?« In ihrer Stimme schwangen die ersten bedrohlichen Zeichen eines neuen Wutanfalls mit.
    »Nördlich von Trinidad. Hier habe ich ein Haus.«
    Aufmerksam beobachtete er sie.
    Darüber dachte sie nach, dann wich sie seinem Blick aus, und die Luft fühlte sich sofort kühler an, als wäre die Temperatur um Az herum gesunken, weil Sophie ihm die Wärme ihrer

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