Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
eines höheren Hauses von einem Psychiater behandeln lassen.
Unten auf der Straße fuhr gerade eine Straßenbahn durch den dichten Verkehr. Momentan fuhr sie auf eine rote Ampel zu, an der sie sicher gleich bremsen würde, denn der Querverkehr hatte Vorfahrt.
Durch Franklyns Kopf schossen plötzlich böse Gedanken. War es Rache? War es Wut? Er konnte es nicht deuten, doch die negative Energie entlud sich in einem Impuls, der dem Schaffner in den Kopf schoss. Er befahl ihm, das Bremsen zu unterlassen. Ungebremst und mit voller Wucht krachte die Bahn in einen Lieferwagen, der eine Ladung Gasflaschen auf seiner Ladefläche beförderte. Die Wucht des Aufpralls war dermaßen gewaltig, dass ein paar der Flaschen explodierten. Vermutlich waren die Ventile abgebrochen, als sie gegen die Außenwand des Lastwagens krachten. Innerhalb weniger Sekundenbruchteile hatte sich eine hochexplosive Gaswolke gebildet, die sich an ein paar Funken oder vielleicht auch an einer brennenden Zigarette entzündete. Die eigentliche Explosion erfolgte direkt im Anschluss. Ein gewaltiger Donnerschlag und eine Druckwelle schossen durch die Luft und überrollten alles, was ihnen im Wege stand. Scheiben zerplatzten, Menschen wurden weggeschleudert. Blut, abgerissene Körperteile, brennende Gegenstände, alles Mögliche flog durch die Luft und prallte gegen die Häuser und die in der Nähe stehenden Fahrzeuge.
Franklyn und der Psychiater sprangen schreiend sofort in Deckung, um nicht von den umherfliegenden Trümmerteilen oder der Druckwelle, schlimmer noch, von der Fensterscheibe getroffen zu werden.
Als der Knall und die Druckwelle vorüber waren, wagten es die beiden Männer wieder, vorsichtig über das Fensterbrett nach draußen zu blicken. Es bot sich ihnen ein Anblick des Entsetzens. Nicht nur, dass sich die Straßenbahn durch den Lastwagen gebohrt und ihn in zwei Hälften geteilt hatte, sondern auch das Blut, die verletzten und toten Menschen, die im Umkreis von ungefähr fünfzig Yards um die Unfallstelle lagen, schockierten die beiden Männer bis auf die Knochen. Sprachlos hielten sie sich den Mund mit beiden Händen zu.
Nachdem die Lähmung durch den Schock nachließ, sagte Franklyn mit zittriger Stimme: „Sehen Sie jetzt, zu was ich in der Lage bin? Ich bin zu Taten fähig, die Sie niemals für möglich halten würden. Ich wollte, dass der Bahnfahrer nicht bremst, und so ist es geschehen. Er hat den Lastwagenfahrer mit voller Wucht gerammt. Ich konnte nichts dagegen tun. Mein Gehirn wird von einer fremden Gewalt gesteuert. Meine Fähigkeit, mich in andere Gehirne einzuloggen, wurde missbraucht. Es ist so fürchterlich, am liebsten würde ich meinem Leben ein Ende setzen. Warum habe ich das bloß getan?“
Schockiert und noch immer sprachlos schaute der Psychiater aus dem Fenster und zählte die Toten. Sein gesamter Körper zitterte vor Entsetzen. Schweiß lief ihm die Schläfen herunter und hinterließ silbrige Spuren. Er konnte und wollte nicht glauben, was er gerade gesehen hatte. Nie und nimmer war Mr. Atwood in der Lage, einen Menschen derart zu manipulieren – vor allem nicht aus der Ferne –, dass er einen derart folgeschweren Unfall verursachen würde. „Sie waren das nicht. Nein, Sie können so etwas nicht verursacht haben. Es war Zufall. Es ist nicht möglich, dass Sie den Schaffner kontrollieren. Ich glaube es nicht“, stammelte er. Doch die Wahrheit sah leider anders aus.
Das Böse in Franklyn interpretierte den versuchten Eingriff des Psychiaters als direkten Angriff. Der Unfall war ein Zeichen der Rache, ein kleiner Vorgeschmack, zu was es in der Lage war. War dies der Höhepunkt oder erst der Anfang seiner Gewalttaten? Würde es sich steigern, oder war Franklyn in der Lage, es rechtzeitig zu stoppen? Das Böse duldete keine Angriffe. Es duldete lediglich Unterwerfung. Doch wer war nun der Stärkere?
Franklyn wurde plötzlich die Kontrolle über seine Handlungen entrissen. Er fiel in ein Erinnerungsloch. Für ihn fühlte es sich an, als würde er schlafen, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, der die Verbindung zwischen seiner bewussten Wahrnehmung und seinem Körper ausgeschaltet. Ein fremdes Individuum hatte komplett die Kontrolle über seinen Körper übernommen. Die Person Franklyn existierte momentan nicht in diesem Körper. Das Erinnerungszentrum im Gehirn war komplett deaktiviert. Es schlief.
Die Abschaltung des Bewusstseins war eine reine Sicherheitsmaßnahme , die das Individuum getroffen
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