Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
beeinflussen.“ Anschließend setzte sich Franklyn auf einen Stuhl und richtete seinen Blick nach draußen auf die Straße. Dort lief gerade eine Frau, die seine Aufmerksamkeit erweckte. Jetzt kam es darauf an, ob der Psychiater wirklich so viel von seinem Handwerk verstand, wie er versprochen hatte. War das Böse in ihm wirklich nicht schlau genug, den Behandlungsmethoden eines Psychiaters auszuweichen?
Franklyn konzentrierte sich auf den Kopf der Frau. Er wollte erreichen, dass sie gegen einen Laternenpfahl l ief. Auf ihrem Weg durch den Fußgängerbereich stand dieses Hindernis, das genau für seine Zwecke gemacht zu sein schien. Franklyn spürte aber nicht die Kraft, die normalerweise aus seinem Geist in seine Opfer floss. Hatte er die Fähigkeit tatsächlich verloren? Einerseits war er ein wenig traurig, doch die Vorteile überwogen. Es funktionierte nicht. Die Frau lief am Pfahl vorbei.
Es war geschafft. Sie hatten das Böse in Franklyn besiegt. War es so einfach, eine äußerst raffinierte Macht auszutricksen , sie außer Gefecht zu setzen? Warum war er nicht gleich auf die Idee gekommen, einen professionellen Psychiater einzuschalten? Er und auch seine Freunde hätten sich eine Menge Probleme ersparen können.
Die Frau im Fußgängerbereich schien von Franklyns Konzentrationsversuchen gar nichts mitbekommen zu haben, bis sie plötzlich gegen eine andere Person prallte. Ihre Köpfe stießen heftig zusammen. Es musste ein fürchterlicher Schmerz gewesen sein, denn die Frau seiner Wahl schlug der Länge nach auf den Fußboden. Erst als andere Passanten ihr wieder aufhalfen, konnte sie wieder aufstehen. Die Person, mit der sie zusammengestoßen war, half ihr ebenfalls. Vermutlich hatte der Schmerz nur bei der Frau zugeschlagen, die Franklyn steuerte.
Sofort sackte Franklyn das Blut aus dem Kopf in seinen Unterkörper. Er fühlte, wie tausende Sterne durch sein Blickfeld schossen und ihm die Sinne vernebelten. Enttäuschung, Wut, Traurigkeit, alle negativen Stimmungen tanzten in seinem Kopf um die Wette. Die Hoffnung, die er soeben noch verspürt hatte, war schlagartig verpufft. „Es hat nicht funktioniert“, fluchte er und wandte sich enttäuscht an den Psychiater. „Haben Sie gesehen, was ich angestellt habe?“
„Nein, das habe ich nicht“, antwortete der Mann ihm gegenüber und blickte ebenfalls durch das Fenster auf die Straße. „Was haben Sie getan?“, fragte er in ruhigem Ton.
„Sehen Sie die Frau, die dort hinten steht? Ich meine die, die die Einkaufstaschen neben sich stehen hat.“
„Ja, ich sehe sie.“
„Sie ist soeben mit einer anderen Person zusammengeprallt. Ich habe es verursacht. Eigentlich sollte sie gegen einen Laternenpfahl stoßen. Es hatte nicht funktioniert. Erst dachte ich, dass ich sie nicht beeinflussen kann. Doch dann passierte es. Wie fürchterlich!“
Das Böse in Franklyn war viel zu intelligent, um sich austricksen zu lassen. Es hatte lediglich vorgetäuscht, dass es nicht mehr aktiv war. Tatsächlich gelang es dem Psychiater noch immer nicht, an das Geheimnis zu gelangen. Er war sehr enttäuscht, denn dieses Rätsel zu knacken hätte für ihn den Durchbruch bedeutet. Er wäre weltweit berühmt geworden. Zumindest erträumte er sich derartige Ziele. Auch in seinem Kopf war soeben die Traum-Seifenblase zerplatzt. Ebenfalls enttäuscht ließ er die Schultern hängen. „Es hätte mir sehr viel bedeutet, wenn ich Ihnen hätte helfen können. Ihre besondere Gabe ist aber viel stärker, als jegliche Künste, über die ich verfüge. Ich befürchte, dass ich Ihnen bei der Bewältigung der Macht nicht helfen kann. Es tut mir wirklich sehr leid.“
Franklyn und der Psychiater standen schweigend nebeneinander am Fenster und beobachteten die Menschen auf der Straße. Ein wildes Getummel völlig normal denkender Menschen lief an ihnen vorbei. Sicher war niemand dabei, der über die gleiche, gefährliche Fähigkeit verfügte, wie Franklyn oder seine Freunde. Ganz normale Menschen. Warum konnte er nicht genauso sein?
Nachdem sie ein paar Minuten nebeneinander gestanden hatten, wagte der Psychiater wieder zu sprechen. Vielleicht mimte er aber auch nur den Mitfühlenden.
Franklyn hingegen lehnte sich enttäuscht und traurig auf die Fensterbank und antwortete nur bruchstückhaft. Körperlich war er anwesend, doch seine Gedanken kreisten um die vielen Menschen, die mit völlig normalem Geisteszustand auf der Straße herumliefen. Er hingegen musste sich in der fünften Etage
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