Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
ihm, um vom Thema abzulenken.
„Sarah, sieh mich an. Ich meine es ernst“, sagte John. Er hoffte, dass sie es nicht gewesen war. Verfügte sie über eine neue Fähigkeit? Nein, das wäre viel zu verrückt. Man kann einen anderen Menschen nicht dazu bewegen, Dinge zu tun, die er nicht tun will.
Sie war es nicht , sagte plötzlich Johns Verstand. Sarah kann die Gedanken anderer nicht steuern .
Ohne es zu merken war John ferngesteuert und seine Gedanken manipuliert worden. Sarah hatte tatsächlich ihre Finger im Spiel gehabt. Sie war ab heute in der Lage, ganz gezielt Personen ihren Willen aufzuzwingen, ohne dass sich die Zielperson dagegen wehren konnte. Die Person merkte noch nicht einmal, dass es sich um einen Zwang handelte, der von außen kam. Sarah verfügte über eine gefährliche Waffe, deren Gefahrenpotential sie aber im Moment noch nicht einschätzen konnte.
War ich das wirklich?, schoss es Sarah durch den Kopf. Kann ich wirklich andere Menschen zu Handlungen gegen ihren Willen zwingen?
John legte sein Besteck beiseite, schluckte den letzten Bissen herunter, trank einen Schluck und stand auf. Zie lstrebig und willenlos wie eine Marionette ging er mit starrem Blick zum Pool. Obwohl er noch seine Kleidung auf dem Leib trug, sprang er mit einem Satz ins Wasser.
Franklyn sprang geistesgegenwärtig von seinem Stuhl hoch, eilte ans Ufer des Pools und zog John wieder he raus.
„Was machst du für einen Unsinn? Hast du nicht g emerkt, dass du noch Kleidung auf dem Leib hast? Und wieso bewegst du dich so seltsam?“
John stellte sich aufrecht hin und schüttelte seine Haare wieder trocken. Plötzlich schien er zu erwachen.
Anfangs hatten seine Freunde lachen müssen, doch als sie gesehen hatten, dass er einen völlig apathischen Blick gehabt hatte, war ihnen ganz schnell das Lachen vergangen.
„Was habe ich getan? Wieso bin ich ins Wasser g esprungen? Es hat sich angefühlt, als hätte ich keinen eigenen Willen mehr. Es war, als stünde ich unter Drogen und jemand hatte mir zuvor gesagt, dass ich ins Wasser springen soll. Ich konnte überhaupt nichts dagegen tun.“
Seine Freunde vermuteten, dass eine fremde Kraft Johns eigenen Willen außer Funktion gesetzt und ihn dazu gezwungen ha ben musste, ins Wasser zu springen. Aber wer sollte dies getan haben? Hier war doch niemand außer ihnen anwesend.
Sarah hingegen wurde immer enthusiastischer. Dass sie den geistig so starken John einfach in die Knie gezwungen hatte, begeisterte sie kolossal. Niemals würde sie den Erwachsenen verraten, zu welchen Taten sie ab heute in der Lage war. Vielleicht verfüge ich ja bald über telepathische Kräfte , erträumte sie sich. Dann kann ich Dinge bewegen, ohne sie anzufassen. Das wäre traumhaft.
Kochte sie ihr eigenes Süppchen ohne das Wissen der Erwachsenen? Kapselte sie sich womöglich ab?
Die Telepathie entwickelte sich hingegen bei Sarah nicht. Ihre vorausbestimmte Entwicklung war nun fast komplett abgeschlossen, ihre Fähigkeiten nahezu ausg ereift. Was sie jetzt lernen musste, war, damit vernünftig umzugehen. Sie besaß das geistige Potential, Menschen zu steuern und deren Taten exakt nach ihrem Willen zu manipulieren. Diese Fähigkeit war wirklich sehr gefährlich, wenn sie unbedacht damit umging. Glücklicherweise war sie ein Kind, das wohlbehütet aufgewachsen war und über keine bösartigen Gene verfügte. Somit war die Gefahr von wirklichen Boshaftigkeiten nicht existent. Doch Unsinn konnte sie auch veranstalten, ohne dabei boshaft zu sein. Schließlich kam es auf den Grad dessen an, was sie mit ihrem Willen bewirkte.
Ein paar Tage vergingen, als wie erwartet die Entwicklung der Erwachsenen nachzog. Nun verfügten auch sie über die Fähigkeit, sowohl die Gedanken als auch die Handlungen ihrer Zielpersonen zu manipulieren. Sarahs Freude über ihren Vorsprung gegenüber den Erwachsenen verpuffte, als sie feststellte, dass ihre Mutter ihren kindlichen Unsinn notfalls verhindern konnte, sofern ihr eigener Virenscanner , wie sie es nannte, nicht aktiv war. Ständig auf fremdes Eindringen zu achten war sehr mühsam. Sobald Sarah spielte und dadurch abgelenkt war, konnte sich ihre Mutter unbemerkt und mühelos in ihre Gedanken einschleichen.
American Football
Der Abend versprach, wie auch schon die Abende zuvor, wunderschön zu werden. Es war endlich Wochenende, und ein wichtiges Footballspiel stand auf dem Programm. Carla hatte dafür gesorgt, dass genügend Popcorn und Chips zur
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