Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
einen frischeren Körper haben. Dennoch beherrsche ich die gleichen Dinge, wie du. Wie du siehst, kannst du dich nicht mehr vor mir verstecken. Ich habe eine Verbindung zu dir aufgebaut, die über weite Strecken funktioniert.
Das ist doof , antwortete Sarah verärgert. Nun konnte sie nicht mehr unbefangen Dinge denken, denn sie lief Gefahr, ständig von ihrer Mutter belauscht zu werden. Was würde nur geschehen, wenn sich ihre Mutter zukünftig völlig unbemerkt in ihren Kopf einschleichen könnte? Gar nicht auszudenken, welche Folgen das hätte. Sarahs Laune wendete sich bei diesen Gedanken schlagartig zum Negativen. Vielleicht würde sie lernen können, ihre Gedanken zu verstecken oder eine Mauer drum herum zu bauen. Sie musste versuchen, ihrer Mutter immer einen Schritt voraus zu sein. Momentan war die Situation umgekehrt. Ihre Mutter konnte zwar nicht durch Wände blicken, aber durch gleiche hören – und das erschreckenderweise über mehrere Meilen. Wie sollte sie nun in der Schule Unsinn machen, ohne dabei erwischt zu werden? Mütter können schon ganz schön nervig werden. Wenn sie es sich genau überlegte, konnte ihre Mutter vermutlich sogar die Augen einer fremden Person anzapfen und auf diese Art und Weise doch durch Wände blicken. Womöglich war auch sie selbst dazu in der Lage. Sie musste es gleich ausprobieren.
Sarahs Fähigkeiten entwickelten sich von Tag zu Tag weiter. Jedes Mal, wenn sie aufwachte, freute sie sich bereits auf die nächste Verbesserung ihrer Leistungen.
Als ihre Mutter sich heute natürlich wiederum in der Schule auf ihre Gedanken schalten wollte, stellte sie fest, dass sie die Lauschattacke abwehren konnte. Sie erstellte eine Blockade, die ihre Mutter nicht durchdringen konnte. Es funktionierte so ähnlich, wie ein e Firewall in einem Computer. Es wurden nur noch die Dinge durchgelassen, die ihr nutzten. Endlich konnte sie wieder Unsinn im Unterricht machen, ohne dass sie dabei hinterrücks beobachtet wurde. Ihre Mutter hatte jetzt keine Chance mehr, gegen ihre selbsternannte Firewall anzutreten. So fühlte sie sich gleich wieder ein Stückchen sicherer. Die letzten Tage hatte ihre Mutter ihr sämtlichen Spaß vermiest. Unsinn machen ist lustig, wird man aber ständig kontrolliert, verhält man sich komplett gehemmt und verklemmt.
Sally hingegen hatte sehr schnell festgestellt, dass sie ihre Tochter nicht mehr anzapfen konnte. Eigentlich war sie der Meinung, dass diese Form der Kontrolle sehr gut für ihre Tochter sei, deshalb war sie anfangs sehr verä rgert über die Firewall in ihrer Tochter. Als Mutter machtlos gegenüber ihrer Tochter zu sein ist allerdings ein verdammt schlechtes Gefühl. Nun hoffte sie, dass sie in den nächsten Tagen eine Möglichkeit finden würde, wiederum unbemerkt ihre Tochter abhören zu können.
Es begann ein regelrechter Wettkampf zwischen den beiden , was die Entwicklung ihrer Fähigkeiten anbetraf. Sobald die Eine einen Vorsprung verbuchen konnte, musste die Andere nachziehen und Gegenmaßnahmen treffen.
Carla, Frankyn und John hingegen maßen der Entwicklung ihrer Fähigkeiten nicht so große Bedeutung zu. Sie nahmen widerstandslos hin, was mit ihnen geschah. Vielleicht waren sie noch nicht auf den Geschmack gekommen, was sich damit alles anstellen ließ, oder es lag an dem stetigen Konkurrenzkampf zwischen Mutter und Tochter, dass Sarah und Sally wesentlich mehr Gefallen daran fanden.
Sarah hatte endlich schulfrei, Carla, Sally, John und Franklyn hatten ebenfalls Feierabend. Niemand musste Überstunden absolvieren, und so konnten alle gemeinsam im Garten in der Sonne sitzen und dem brutzelnden Fleisch auf dem Grill zusehen oder sonstigen Tätigkeiten nachgehen. Franklyn planschte gerade mit seinen Füßen im Wasser, Sarah beobachtete eine Ameisenstraße. Die Krabbeltiere hatten ein großes, totes Insekt gefunden. Aufgrund der Anzahl der schwarzen Insekten konnte sie nicht feststellen, um was es sich einmal gehandelt hatte. Vermutlich war es ein Grashüpfer gewesen, dem bereits ein paar Beine fehlten. Ameisen zerlegen ihre Nahrung, bevor sie sie abtransportieren.
Carla kaute genüsslich auf einem Strohhalm herum, an dessen Spitze sich noch die Ähre befand. Dabei beobac htete sie die Wolken, die fast bewegungslos am Himmel hingen. Nur ein leiser Hauch eines warmen Windes trieb sie voran.
Unten auf der Erde war es windstill, somit formte der Qualm, der aus der Glut des Grills aufstieg, eine nahezu senkrechte, graue Säule, die
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