Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
„Hmhmhm“, machte sie mit zusammengepressten Lippen, um anzudeuten, dass kein einziges Wort durch den verschlossenen, unsichtbaren Reißverschluss entfliehen konnte.
Die folgenden Tage und Wochen bereicherten die Freunde ihren Tagesablauf damit, dass sie stets anderen Menschen halfen. Bald wurde es zur Sucht. Das Glücksgefühl, das sich nach jeder Hilfsaktion bei ihnen einstellte, war stärker, als jede Droge. Es erfüllte ihren Geist mit Zufriedenheit und einer angenehmen Gefühlswärme. Sehr viele Menschen waren ihnen dankbar für das, was die Freunde ihnen gaben: Trost, Rettung aus der Verzweiflung, Hoffnung, Freude Glück. Sie taten es nicht, um damit Geld zu verdienen, ganz im Gegenteil: Sobald ihnen jemand Geld für eine geleistete Hilfe bot, lehnten sie es kategorisch ab. Fast sahen sie es als eine Beleidigung an, für Hilfe Geld zu bekommen. Als besonders schwierig stellte sich allerdings immer wieder heraus, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Wenn ein Unglück geschah, konnten sie oft nicht schnell genug am Unglücksort sein. Oftmals erfuhren sie einfach zu spät, dass etwas Schlechtes oder Böses geschehen war. Hier bestand noch großes Verbesserungspotential. Jeden Tag überlegten sie, wie sie es schaffen könnten, noch schneller die Unglücksorte erreichen zu können.
Das Wunder der Technik half ihnen weiter. Ausg erechnet das Internet bot ihnen die Möglichkeit, bereits Minuten nach dem Eintreten eines Unglücks etwas darüber zu erfahren. Auf der Seite der Polizei konnten sie abrufen, welche Unfälle gemeldet wurden. Wenn der Ort des Unglücks nicht allzu weit entfernt war, konnten sie mit dem Auto dort hinfahren, um zu helfen – vorausgesetzt, sie befanden sich nicht auf der Arbeit. Für den Normalsterblichen war diese Webseite allerdings nicht einfach zu finden. Franklyn hingegen hatte seine Verbindungen in die Hackerszene. In der Zeit, als er Student war, befanden sich einige seiner Kommilitonen in einer Computervereinigung. Dort wurde mit allen möglichen Mitteln versucht, Sicherheitslücken in Firmen aufzudecken. Hier und da stieß man natürlich auf Informationen, die nicht für alle Augen gemacht waren. Franklyn erinnerte sich zurück, spontan fielen ihm ein paar Namen ein. Als er die Jungs angerufen hatte, hatte dies eine große Welle der Freude ausgelöst. Man hatte sich lange nicht gesehen oder gehört. Teilweise hatte er eine halbe Stunde lang über die schöne, gute Vergangenheit mit ihnen geredet. Anschließend, als Franklyn das Thema geschickt auf die damalige Tätigkeit gelenkt hatte, hatte er erfahren, wie er an seine gewünschten Informationen kam. Ganz nebenbei erzählten sie, was sie im Internet alles entdeckt hatten. Franklyn war damals ganz groß in der Szene, als er sein Studium abgeschlossen hatte. Anschließend hatte er aber das Interesse am Hacken verloren.
Jetzt, da Franklyn wusste, wo er die Seite der Polizei zu suchen hatte, zapfte er von einem Internetcafé diese Quelle regelmäßig an. Gemeinsam mit seinen Freunden hatte er eine halbe Stunde am Computer gebucht. Für einen Amerikaner war es eigentlich schon fast unüblich, keinen Computer zu besitzen. Dennoch gab es genügend Menschen, die für die Geräte nicht über ausreichende Geldreserven verfügten. Für sie war ein Internetcafé die einzige Möglichkeit, auch einmal am Computer zu spielen. Für Franklyn war es die sicherste Methode, an Informationen über Unfälle zu kommen, ohne dass man ihn dabei erwischte.
John, Carla, Sally und Sarah stellten sich so geschickt in den Weg, dass man von den Seiten nicht erkennen konnte, was Franklyn gerade auf dem Monitor aufrief. Wie zufällig standen sie mit einer Coke, einer Limonade und ein paar Chips den anderen im Weg und versperrten ihnen die Sicht.
Franklyn hatte sofort gefunden, wonach er suchte. Die Webseite hatte er sich gut gemerkt und sicherheitshalber noch einmal in die Hand geschrieben. Er musste Logindaten eingeben, damit er den Bereich betreten konnte, in dem er verschiedene Livestreams anklicken konnte. Nach der positiven Identifikation entdeckte er einen Stream zu einer Webcam, die an einem Löschzug befestigt war. Kurz, nachdem er auf das Symbol für den Datenstrom geklickt hatte, öffnete sich ein weiteres Fenster, das dden Stream zeigte. Dies war nun wirklich nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Permanent konnte er nun die Gegend vor dem Löschzug beobachten. Leider hatte er eine Kamera an einem stehenden Fahrzeug gewählt. Sie war zwar
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