Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
entfernt und die Frau an lebensrettende Geräte angeschlossen. Als sie komplett verkabelt war, beförderten sie die Bahre mit sämtlichen Geräten in den Rettungswagen, sprangen ebenfalls hinein und schlossen von innen die Klapptüren. Eine Sekunde später fuhr der Rettungswagen mit Sirenengeheul ab und eilte in Richtung Krankenhaus.
Der Einsatzleiter stand direkt in der Nähe und eilte in Johns Richtung, der noch immer das Funkgerät vor seinen Mund hielt. Er hatte noch nicht realisiert, dass sein Ei nsatz jetzt beendet war.
„Hey, das war perfekt“, rief ihm der Einsatzleiter zu. „Wenn jeder so hervorragend helfen würde, hätten wir keine Sorgen mehr.“ Er klopfte John heftig auf die Schultern, denn er hielt es nicht für selbstverständlich, dass sich ein Passant, der keinerlei Bezug zu den verunglückten Personen hatte, mit so viel Enthusiasmus für das Leben anderer Menschen einsetzt.
„Ich, ähm, oh…“ Erst jetzt merkte John, dass er das Funkgerät nicht mehr benötigte. Blut schoss ihm ins Gesicht. Er hatte einer völlig fremden Frau das Leben gerettet. Und das auf eine ziemlich ungewöhnliche Art und Weise.
„Was du für die Frau getan hast, ist mit Worten nicht zu beschreiben. Woher auch immer du die Information en hattest, wo sie sich befand, weiß ich nicht. Es ist aber auch unwichtig. Sie lebt, das ist viel wichtiger. Ich gehe davon aus, dass sie überleben wird. Sag mir bitte deinen Namen, damit ich weiß, an wen sie sich wenden kann, wenn sie sich für ihre Rettung bedanken will.“
„Ich heiße John Damascus. Das mit der Rettung hätte doch jeder getan. Ich halte es für selbstverständlich.“
„Nein, mein Freund, das ist es nicht. Deine Rettungsaktion war einmalig. Sie wird sicher in die Annalen der Feuerwehr eingehen. Absolut unglaublich. Kennst du das Gebäude?“
„Nein, ich habe es noch nie gesehen, geschweige denn, betreten.“
„Das ist wirklich verrückt.“ Nach einer kurzen Pause sagte er „John Damascus, Moment, das muss ich mir notieren…“ Anschließend schrieb der Einsatzleiter Johns Namen und ein paar weitere Notizen auf eine leere Seite seines Notizbuchs, klappte es wieder zu und steckte es hastig in seine Brusttasche. „Nun entschuldige mich, es gibt noch sehr viel zu tun.“ Im selben Moment rief schon wieder jemand über das Funkgerät nach Hilfe. Der Einsatzleiter ließ John stehen und rannte sofort zur nächsten Katastrophe.
John war sehr stolz. Das Gefühl, einem Menschen das Leben gerettet zu haben war viel intensiver, als jedes Glücksgefühl, das man verspürt, wenn man eine Sportwette oder ähnliches gewinnt. Selbst sein großer Geldgewinn kam gefühlsmäßig betrachtet nicht an das heran, was er im Moment empfand.
Als John wieder bei seinen Freunden stand, prickelte es regelrecht in ihm. „Wisst Ihr, das innere Kribbeln, das die Rettung ausgelöst hatte, ist unbeschreiblich schön. Es ist kein Gefühl von Adrenalin, sondern eine Art der Zufriedenheit. Nein, Zufriedenheit ist nicht das richtige Wort. Ich würde eher sagen, es ist ein Glücksgefühl, eine Genugtuung für die Seele. Etwas Schöneres kann ich mir nicht vorstellen. Für einen Menschen, dem man das Leben gerettet hat, ist man bis zu seinem Lebensende verantwortlich. Das habe ich zumindest einmal gehört.“
Carla nahm ihn in den Arm und drückte ihn ganz he ftig. „Ich bin stolz auf dich, mein Großer. Ganz fürchterlich stolz. Ich habe die Frau gesehen, und ich bin mir sicher, dass sie dank dir überleben wird. Vielleicht sollten wir sie im Krankenhaus besuchen.“
Franklyn verspürte einen dicken Kloß im Hals. Er konnte gerade noch seine Tränen unterdrücken. „Niemand darf von unserer besonderen Gabe erfahren. Wir dürfen es keinem verraten. Dann können wir noch lange im See der schönen Gefühle schwimmen. Wenn jeder wüsste, zu was wir in der Lage sind, würde unsere Fähigkeit sicherlich missbraucht werden. Viel schlimmer noch, man würde uns vermutlich analysieren, untersuchen, einsperren und so weiter. Wissenschaftler würden versuchen herauszufinden, warum wir diese besondere Gabe besitzen.“
„Kein Wort werden wir darüber verlieren“, antwortete ihm Sally. „Auch du, Sarah, darfst niemandem etwas d avon verraten, auch nicht ansatzweise. Wenn du etwas verrätst, wirst du deine Gabe sicher ganz schnell verlieren.“
„Ich werde schweigen, wie ein Grab“, sagte Sarah und tat so, als würde sie sich einen unsichtbaren Reißverschluss vor dem Mund zuziehen.
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