Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
dieser aus seinem festgefahrenen Instinktverhalten herausgerissen wurde. Dieser Instinkt hatte ihm vermutlich gesagt, dass es sich bei dem Bein um ein Beutetier handelte, das man töten muss. Nach dem befreienden Tritt merkte der Hund, was er angestellt hatte und winselte leise. Bald sah es so aus, als täte es ihm leid. Doch dafür war es jetzt zu spät. Die Frau des Opfers hatte mittlerweile ihr Smartphone gezückt und sprach mit der Notrufzentrale.
John und Franklyn standen wie gelähmt am Zaun und beobachteten den Vorfall. Erst jetzt kamen sie auf die Idee, dem Verletzten zu helfen. Ohnehin hätten sie gegen den völlig durchgedrehten Hund nichts ausrichten können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Womöglich hätte er sie auch noch angegriffen und verletzt.
Die beiden öffneten das Gartentor, rannten zu dem Verletzten und kümmerten sich um sein Bein.
„Was ist bloß in ihn gefahren?“ John sah sich das zerfetzte Bein an und musste sich fast übergeben.
Franklyn hingegen wandte sich an die Frau, die leichenblass daneben stand und weinte. „Haben Sie den Notarzt gerufen?“
Sie nickte. Sprechen konnte sie nicht. Im gleichen Moment hörten sie bereits Sirenengeheul. Damit es nicht so lange dauerte und die Ärzte suchen mussten, lief Franklyn bis zur Hauptstraße und winkte den Ärzten zu, die nicht genau wussten, wohin sie fahren mussten. Sie erblickten ihn und steuerten auf ihn zu. Weiterhin winkend wartete Franklyn, bis er das Gefühl hatte, dass sie ihn verfolgten. Anschließend rannte er wieder in Richtung der Unfallstelle. Völlig außer Atem blieb er stehen, als er bei dem Verletzten ankam. Die Notärzte sprangen aus dem Auto und begutachteten den Mann mit dem zerrissenen Bein.
John hatte aus der Not heraus seinen Gürtel ausgezogen und diesen mit aller Kraft um das Bein oberhalb der Kniescheibe geschnallt. Vorher hatte er einen herumliegenden Stock durch die Schlaufe gesteckt und am langen Ende gedreht, sodass sich der Gürtel weiter zuzog. Auf diese Weise hoffte er den Blutfluss stoppen zu können. Seine unkonventionelle Rettungsmethode schien zu funktionieren, doch hatte sein Patient dadurch noch mehr Schmerzen zu ertragen.
„War das der Hund?“, fragte einer der Notärzte. Es war nicht zu übersehen, wer hier der Täter war, denn der Hund war am Maul völlig blutverschmiert. Im Moment lag er allerdings auf dem staubigen Fußboden und leckte sich sauber. Die Verletzung seines Herrchens schien ihn nicht sonderlich zu interessieren. „Halten Sie bitte den Hund außer Reichweite“, sagte er zur Besitzerin. Sie hatte sich mittlerweile ein wenig gefangen und konnte wieder sprechen.
„Ja, er war das. Mistköter. Wie konnte dieses Vieh ihm das bloß antun?“ Sie nahm die Leine und ging damit auf ihren Hund zu, der davon gar keine Notiz nahm. Dann zog sie ihn von der Unfallstelle weg, damit er nicht noch mehr Unsinn anstellte.
„Sie haben ihm einen Blutstau angelegt, das war sehr gut, denn so können die Keime nicht so gut in den Kreislauf gelangen. Zudem spült die Sickerblutung einen Teil der Bakterien heraus. Hätten sie nichts unternommen, wäre er sicher schon längst verblutet. Bei derart großen Verletzungen dauert es in der Regel nicht lange, bis sämtliches Blut herausgeflossen ist.“
John war ein wenig stolz auf seine Aktion. Weiterhin hielt er den langen Stock fest und wartete auf Kommandos seitens der Ärzte.
„Halten Sie den Stock so lange fest, bis ich Ihnen sage, dass sie ihn lösen können.“
„Ja, in Ordnung“, antwortete John.
„Kann ich etwas tun?“, fragte Franklyn, der tatenlos daneben stand.
„Ja, gehen sie ein wenig aus dem Weg, falls ich zum Rettungswagen laufen muss.“
Nachdem die Ärzte einige Versuche unternommen hatten, die Blutung einzudämmen, stellten sie fest, dass dies vor Ort nicht möglich war. Sie fixierten den Stock, den John noch immer in der Hand hielt, am Bein des Opfers. Nun musste John ihn nicht mehr festhalten.
„Wir müssen ihn sofort ins Krankenhaus bringen. Allerdings müssen wir ihm eine stabilisierende Infusion legen. Halten Sie diese Flasche fest“, sagte der andere Notarzt zu Franklyn. Sofort kam Franklyn gesprungen und hielt die Flasche über dem Patienten fest. Den Schlauch befestigte der Arzt an einer Nadel, die er fachgerecht in eine Ader am Unterarm steckte und festklebte.
„Kommen Sie mit“, sagte er zu John, „wir holen die Tragbahre aus dem Rettungswagen. Mein Kollege wird währenddessen noch ein paar
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