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Vergangenheit beruhte. Er erwiderte: »Sie haben vollkommen Recht. Wir lassen die Finger vom mexikanischen Peso. Wir investieren nur in den russischen Rubel.« Wenige Monate später erlebte er seinen »Blow-up«. Bis dato hatte der russische Rubel attraktive Zinsen abgeworfen, wodurch Renditegeier jeglicher Couleur angelockt wurden. Jener Manager und andere Inhaber von Rubel-Investments verloren im Sommer 1998 bis zu 97 Prozent ihres investierten Kapitals.
Wie wir in Kapitel 3 gesehen hatten, kann unser Zahnarzt Volatilität nicht leiden, da sie zu einem hohen Auftreten negativer Ausschläge führt. Je mehr er seine Wertentwicklung unter die Lupe nimmt, desto mehr muss er leiden, da bei der höheren Auflösung die Schwankungsbreite größer ist. Daher werden Anleger aus rein emotionalen Gründen Strategien als attraktiv empfinden, die seltene, aber große Abweichungen aufweisen. Damit wird der Zufall unter den Teppich gekehrt.
Wir können dieses Problem auch aus einer anderen Perspektive betrachten. Stellen Sie sich einen wissenschaftlichen Forscher vor, der Tag für Tag in seinem Labor von der Welt isoliert Mäuse seziert. Er könnte viele Jahre lang schuften, ohne etwas vorweisen zu können. Seine Lebensgefährtin könnte die Geduld mit diesem Versager verlieren, der jeden Abend bei seiner Rückkehr nach Mäuseurin stinkt. Bis er eines Tages plötzlich einen Durchbruch erzielt. Wenn man sich die Zeitreihe seiner Tätigkeit ansieht, so zeigt sie absolut keinen Gewinn, obwohl ihn jeder Tag im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit seinem Endergebnis näher gebracht hat.
Das Gleiche gilt auch für Verlage. Sie können einen Flop nach dem anderen herausbringen, ohne dass ihr Geschäftsmodell im Geringsten zweifelhaft wäre, sofern sie nur einmal in zehn Jahren einen Superbestseller ä la Harry Potter publizieren – vorausgesetzt natürlich, sie veröffentlichen qualitativ hochwertige Werke, bei denen eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie extrem populär werden. Der interessante Wirtschaftswissenschaftler Art De Vany wendet diese Thesen auf zwei Gebiete an: die Filmbranche und seine eigene Gesundheit und Lebensweise. Er errechnete die schiefen Eigenschaften der Amortisation von Kinofilmen und hob sie auf eine andere Ebene: das verstörende Konzept der nicht messbaren Unsicherheit, das wir in Kapitel 10 kennen lernen werden. Interessant ist auch seine Entdeckung, dass uns Mutter Natur für extrem schiefes Training konzipiert hat: Jäger und Sammler erlebten Augenblicke der Untätigkeit, gefolgt von plötzlichem, extremen Energieverbrauch. Im Alter von 65 soll Art dem Verlauten nach die körperliche Kondition eines fast halb so alten Mannes besitzen.
An der Börse gibt es eine Kategorie von Händlern, die inverse seltene Ereignisse erleben und für die starke Volatilität eine gute Nachricht ist. Diese Händler machen häufig Verluste, die sich jedoch in Grenzen halten, und selten Gewinne, aber wenn, dann im großen Stil. Ich nenne sie Krisenjäger. Ich bin froh, selbst zu dieser Gruppe zu gehören.
Warum entdecken Statistiker keine seltenen Ereignisse?
Für den Laien kann Statistik recht komplex erscheinen, aber die heute in dieser Hinsicht verwendeten Konzepte sind so einfach, dass meine französischen Mathematikerfreunde sie verächtlich als »cuisine« bezeichnen. Sie basieren auf einer einfachen Annahme: Je mehr Informationen einem zur Verfügung stehen, desto zuverlässiger wird das Ergebnis. Das Problem steckt jedoch in folgender Frage: Um wie viel zuverlässiger? Häufig verwendete statistische Methoden basieren auf der stetigen Steigerung des Konfidenzniveaus in nichtlinearem Verhältnis zur Anzahl der Beobachtungen. Das heißt, dass bei einer Vergrößerung des Stichprobenumfangs um n unser Wissen um die Quadratwurzel aus n zunimmt. Nehmen wir an, ich ziehe rote und schwarze Kugeln aus einer Urne. Nach 20 Ziehungen ist mein Konfidenzniveau in Bezug auf die relativen Anteile der roten und schwarzen Kugeln nicht doppelt so hoch wie nach zehn Ziehungen, sondern hat sich lediglich um die Quadratwurzel aus zwei erhöht (also um 1,41).
Statistik wird kompliziert und lässt uns im Stich, wenn wir es – wie in der oben erwähnten Urne – mit nichtsymmetrischen Verteilungen zu tun haben. Bei einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit, in einer überwiegend mit schwarzen Kugeln gefüllten Urne eine rote zu finden, wird unser Wissen über das Fehlen von roten Kugeln sehr langsam zunehmen – langsamer
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