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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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sei, war aber genau deswegen so mächtig, weil er dies wusste, während andere weitaus grandiosere Vorstellungen von sich selbst hatten. Er verstand Popper. Man sollte ihn nicht basierend auf seinen Schriften verurteilen: Soros lebte ein Leben im Popper’schen Sinne.
    Übrigens war Popper für mich nichts Neues. Als Teenager und im Alter von Anfang 20 hatte ich im Rahmen einer engagierten Bildung in Europa und den Vereinigten Staaten beiläufig von Karl Popper gehört. In der mir damals vorgestellten Form verstand ich seine Thesen jedoch nicht, und ich glaubte auch nicht, dass sie für irgendetwas im Leben Bedeutung hätten (wie die Metaphysik). Ich war damals in dem Alter, in dem man das Gefühl hat, alles lesen zu müssen, und das hinderte mich daran, Pausen zum Nachdenken einzulegen. Aufgrund dieser Eile fiel es mir schwer, in Popper etwas Wissenswertes zu erkennen. Das lag entweder an meiner Konditionierung durch die damals modische intellektuelle Kultur (zu viel Plato, zu viele Marxisten, zu viel Hegel, zu viele pseudowissenschaftliche Intellektuelle), am Bildungssystem (zu viele als Wahrheiten verpackte Mutmaßungen) oder an der Tatsache, dass ich damals zu jung war und zu viel las, um eine Brücke zur Realität schlagen zu können.
    Popper fiel dann aus meinem Gedächtnis heraus, ohne in einer einzigen Gehirnzelle eine Spur zu hinterlassen – im Denken eines unerfahrenen Jungen gab es nichts, das ihn hätte halten können. Außerdem begann ich damals mit dem Börsenhandel und trat in eine antiintellektuelle Phase ein; ich musste mir nicht zufälliges Geld verdienen, um meine soeben verlorene Zukunft und den Wohlstand wiederzuerlangen, die sich kurze Zeit zuvor im Libanon-Krieg in Luft aufgelöst hatten (bis dahin war ich von dem Wunsch beseelt gewesen, wie fast alle in meiner Familie in den letzten 200 Jahren ein Leben angenehmen Müßiggangs zu führen). Plötzlich fühlte ich mich finanziell unsicher und befürchtete, mich als Angestellter bei irgendeinem Unternehmen verdingen zu müssen, das mich in einen Firmensklaven mit »Arbeitsethik« verwandeln würde (immer wenn ich den Begriff Arbeitsethik höre, verstehe ich darunter ineffiziente Mittelmäßigkeit ). Ich brauchte die Unterstützung meines Bankkontos, um mir Zeit zum Nachdenken zu kaufen und das Leben genießen zu können. Auf keinen Fall wollte ich sofort zum Philosophen werden und dabei beim ortsansässigen McDonald’s meinen Lebensunterhalt verdienen. Die Philosophie wurde für mich etwas, was rhetorisch geschickte Menschen praktizierten, wenn sie viel freie Zeit hatten. Sie war jenen vorbehalten, die in quantitativen Methoden und anderen produktiven Dingen nicht besonders versiert waren. Sie war ein Zeitvertreib, der sich auf die späten Abendstunden beschränken sollte, auf Bars in Uninähe, wenn man schon etwas getrunken und keinen engen Stundenplan hatte – vorausgesetzt, man vergaß diesen Anfall von Schwatzhaftigkeit nach Möglichkeit schon am nächsten Tag wieder. Zu viel Philosophie konnte einen Menschen in Schwierigkeiten bringen, ihn vielleicht sogar in einen marxistischen Ideologen verwandeln. Popper sollte erst wieder auftauchen, nachdem ich mir in meiner Karriere als Börsenhändler einen sicheren Platz erobert hatte.

Örtlichkeiten
    Man sagt, Menschen würden sich im Allgemeinen erinnern, um welche Zeit und an welchem Ort sie mit einer überragenden Idee konfrontiert wurden. Der religiöse Dichter und Diplomat Paul Claudel wusste genau, wo er bei seiner (erneuten) Bekehrung zum Katholizismus in der Kathedrale Notre Dame in Paris stand – in der Nähe welcher Säule. Daher kann auch ich mich an die genaue Stelle im Barnes&Noble-Buchladen an der Ecke 21. Straße/Fifth Avenue erinnern, wo ich 1987, von Soros inspiriert, 50 Seiten von Poppers Die offene Gesellschaft las und mir anschließend in fieberhafter Eile alle Werke Poppers kaufte, deren ich habhaft werden konnte, als würde ich fürchten, sie könnten bald vergriffen sein. Ich hielt mich in einem spärlich beleuchteten Nebenraum auf, in dem es merklich nach Moder roch. Ich kann mich lebhaft daran erinnern, welche Gedanken mir wie eine Offenbarung durch den Kopf schossen.
    Popper entpuppte sich als das genaue Gegenteil von dem Bild, das ich mir ursprünglich von »Philosophen« gemacht hatte; er war der Inbegriff der Sachlichkeit. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich bereits einige Jahre lang als Optionshändler gearbeitet und war wütend, dass ich von den akademischen Forschern

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