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philosophischen Überzeugungen und Praktiken.«
In seiner Jugend war er nicht viel besser. Die Mitglieder des Wiener Kreises versuchten, ihm aus dem Weg zu gehen – nicht wegen seiner abweichlerischen Thesen, sondern weil er ein gesellschaftlicher Problemfall war. »Er war brillant, aber auf sich selbst fokussiert, unsicher und arrogant, reizbar und selbstgerecht zugleich. Er konnte furchtbar schlecht zuhören und wollte unter allen Umständen seine Meinung durchsetzen. Er hatte keine Ahnung von Gruppendynamik und besaß nicht das geringste Verhandlungsgeschick.«
Ich möchte mich hier nicht in Gemeinplätzen ergehen über den Unterschied zwischen jenen, die Thesen aufstellen, und jenen, die sie praktisch umsetzen, sondern lediglich auf ein interessantes Verhaltensproblem hinweisen: Wir verkünden gerne logische und rationale Ideen, finden aber nicht unbedingt Gefallen an ihrer Verwirklichung. So sonderbar es klingen mag, dieser Punkt wurde erst vor kurzem entdeckt (wir werden an späterer Stelle noch sehen, dass wir genetisch nicht für rationales Denken und Handeln gerüstet sind; wir eignen uns nur dazu, unsere Gene in einem bestimmten anspruchslosen Umfeld mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit weiterzugeben). Auch wenn es sich noch so merkwürdig anhört, der obsessiv selbstkritische George Soros scheint in seinem beruflichen Verhalten mehr von Poppers Ideen zu verwirklichen als Popper selbst.
Induktion und Gedächtnis
Das menschliche Gedächtnis ist eine große Maschine, die induktive Schlussfolgerungen zieht. Woran erinnert man sich leichter an eine Sammlung zufällig zusammengewürfelter Fakten oder an eine Geschichte, die eine Reihe logischer Verknüpfungen enthält? Kausalitäten kann man sich leichter merken. Unser Gehirn müsste in diesem Fall weniger arbeiten, um diese Informationen zu speichern. Der Umfang ist geringer. Was genau ist Induktion? Eine Verallgemeinerung aus einer Vielzahl von Einzelheiten. Induktion ist sehr praktisch, weil Allgemeines weitaus weniger Platz im Gedächtnis beansprucht als eine Sammlung von Einzelheiten. Diese Komprimierung führt zu einer Reduzierung der wahrgenommenen Zufälligkeit.
Pascals Wette
Ich beschließe meine Ausführungen mit der Beschreibung meiner eigenen Methode zum Umgang mit dem Problem der Induktion. Der Philosoph Pascal erklärte, dass die optimale Strategie für uns Menschen darin bestehe, an die Existenz Gottes zu glauben. Denn wenn es Gott gibt, wird dieses Verhalten belohnt. Existiert er aber nicht, so hat ein Mensch, der an Gott glaubt, nichts zu verlieren. Entsprechend müssen wir auch die Wissensasymmetrie akzeptieren; es gibt Situationen, in denen der Einsatz von Statistik und Ökonometrie sinnvoll sein kann. Aber ich würde mir nicht wünschen, dass mein Leben davon abhinge.
Analog zu Pascal bringe ich also folgende Argumentation vor. Wenn die Wissenschaft der Statistik mir in irgendeiner Weise nützlich sein kann, werde ich sie einsetzen. Wenn sie eine Gefahr darstellt, wende ich sie nicht an. Ich möchte das Beste aus der Vergangenheit nutzen – aber risikolos. Also setzte ich statistische und induktive Methoden für aggressive Wetten ein, nicht aber zum Management meiner Risiken und Engagements. Überraschenderweise scheinen alle mir bekannten überlebenden Börsenhändler den gleichen Ansatz zu verfolgen. Sie setzen auf Thesen, die auf irgendeiner Beobachtung beruhen (einschließlich der historischen Entwicklung), aber wie Poppers Wissenschaftler stellen sie sicher, dass sich die Kosten eines Irrtums in Grenzen halten (und ihre Wahrscheinlichkeit nicht aus den Daten der Vergangenheit abgeleitet wird). Im Gegensatz zu Carlos und John wissen sie, welche Ereignisse ihre Hypothesen widerlegen würden und berücksichtigen das, bevor sie sich auf eine Trading-Strategie einlassen (denken Sie daran, wie Carlos und John historische Trends als Grundlage ihrer Investments und ihrer Risikomessung verwendeten). Bei Eintritt dieser Ereignisse brechen sie ihre Transaktion ab. Im Börsenjargon nennt man das Stop-Loss-Marken: ein im Voraus definierter Austrittspunkt, ein Schutzmechanismus gegen den schwarzen Schwan. Meinen Beobachtungen zufolge wird das nur allzu selten praktiziert.
Solon sei Dank
Schließlich muss ich noch gestehen, dass beim Abschluss meiner Arbeit an Teil I die Tatsache, dass ich über Solons geniale Erkenntnisse schrieb, eine außergewöhnliche Wirkung auf meine Denkweise und mein Privatleben hatte. Was ich in Teil I zu
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