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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Ihrer …«, beginnt Carrick.
    Blanca geht dazwischen. Laut und bestimmt: »Nein!«
    Sam und John zucken gleichzeitig zusammen.
    »… Ihrer Tante«, beendet der Amerikaner den Satz. »Ich habe Victoria und Grace die Aufnahmen mitgegeben. Habe die Filme an unserem letzten gemeinsamen Tag nachmachen lassen. Die Negative habe ich behalten.«
    Sam ahnt, was diese Fotodokumentation bedeutet. Ihr Magen krampft sich zusammen.
    »Würden Sie uns bitte alleine lassen, Mr. Carrick!«, sagt Blanca förmlich.
    »Selbstverständlich, Ma’am.«
    Er verlässt die Küche, argwöhnisch beäugt von Lucienne, die sich wieder hereingeschlichen hat. Die Katze zaudert kurz, bevor sie dem Mann nach draußen folgt.
    Blanca schließt die Tür hinter ihm. Sie setzt sich und sieht Sam an. »Und?«
    »Was ›und‹?« Sam hält sich den Kopf. Was sie sich da zusammenreimt, will sie nicht zulassen. Es kann, es darf nicht sein.
    »Ich habe es geahnt, Sam! Diese Besessenheit, mit der Victoria nach Grace’ Tod den Speicher leer räumte. Sie sagte, sie wollte Isaac und mich nicht mit dem ganzen Werkzeug belasten, den Pinseln, Farben, Leinwänden und Keilrahmen, die da herumstanden. Grace war eine Sammlerin, sie konnte nichts wegwerfen. Victoria dagegen hat immer gern ausgemistet.«
    Sam wartet. Ihr ist kalt. Die Kerze flackert. Es hat aufgehört zu gewittern, aber immer noch fällt dünner Nieselregen aus dunkelgrauen Wolken.
    »Ich war Victoria damals dankbar, dass sie sich darum kümmerte. Mag sein, ab und zu hatte ich ein ungutes Gefühl. Ich schob es auf die Trauer, auf die veränderte Situation.«
    Sam erschließt sich den Rest. Erklärungen sind nicht mehr nötig.
    »Hast du diese Fotos jemals zu Gesicht bekommen?«, fragt sie ihre Großmutter.
    »Nein.«
    »Und Großvater?«
    »Ich bin sicher, dass er sie nie gesehen hat. Denn das hätte er nicht für sich behalten.«
    Sam nimmt eines der Fotos in die Hand. Grace hat eine Küstenlinie gemalt, ein gelber Zacken in einem Bild, das ansonsten vor Blautönen, die Himmel und Meer darstellen, nur so überquillt. Ölfarben, dick aufgetragen, man sieht die typische, unregelmäßig dicke Farbschicht mit den scharfkantigen Aufwürfen.
    Dazu kennt Sam Victorias Pendant: Acrylfarben, dünn verstrichen. Aber während Grace’ Darstellung durchaus als konkret zu bezeichnen ist, wenngleich mit expressionistischem Touch, ist Victorias Werk ein abstraktes Bild – als wäre Grace’ Vorlage durch eine Rechenmaschine gelaufen und als geometrische Zeichnung wiedergeboren, die zufällig jemand bunt eingefärbt hat.
    Diesen Satz muss ich mir für die Ausstellung merken, denkt Sam. Immerhin hat sie ein paar Absätze zur künstlerischen Entwicklung im Schaffen der Victoria May zu verfassen. Jäh schießt ihr durch den Kopf, dass es womöglich keine Ausstellung mehr geben wird.
    »Sie hat die Bilder ihrer Schwester plagiiert.« Blanca spricht es als Erste aus. Es klingt wie eine simple Feststellung.
    »Es ist nicht dasselbe Bild und nicht derselbe Stil.« Absurderweise will Sam ihre Mutter verteidigen.
    »Nein. Aber es ist Grace’ Idee. Nicht Victorias.«
    »Alle Künstler holen sich Anregungen bei anderen.«
    »Anregungen? Ja. Inspirationen? Sicherlich. Aber das hier ist abgekupfert.«
    Sam gibt Blanca recht. Sie geht alle Fotos durch, die John Carrick ihnen gebracht hat. Zu jedem einzelnen von Victorias Bildern, die sie in- und auswendig kennt, gibt es ein Gegenstück bei Grace. Oder umgekehrt.
    Sie schweigen lange. Blancas Blick ist voller Trauer.
    »Was sollen wir jetzt tun?«, fragt Sam.
    Blanca sagt lange nichts. Dann steht sie mühsam auf.
    »Ich rede mit Carrick.«
    »Blanca …«
    »Ich rede mit Carrick.« Blanca verlässt die Küche.
    Sam kämpft den Impuls, an der Tür zu lauschen, nieder. Es ist Zeit, Roman anzurufen. Sie geht hinauf ins Gästezimmer.
    Er meldet sich nach dem ersten Klingeln.
    »Guten Morgen, Sam!«
    »Hallo. Ich wollte Ihnen sagen, dass John Carrick in Coburg ist. Er hat sich einfach selbst auf die Socken gemacht.«
    »Das … ich … es tut mir leid.«
    »Muss es nicht. Ich finde, es war Zeit, dass die Dinge ins Rollen geraten.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Wenn Sie Zeit haben, treffen wir uns.«
    »Wann?«
    »Ich weiß noch nicht. Ich melde mich.« Mit einem Lächeln auf den Lippen legt Sam auf. Doch kaum steckt sie das Handy weg, klingelt es.
    »Hallo? Bist du das, Sam?«
    Es ist ihr Vater. Seine Stimme klingt metallisch.
    »Dad? Was ist los!«
    »Deine Mutter hatte

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