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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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wichtigste Einsicht in ihr Leben geraubt, weil sie sich überzeugen ließ, es sei das Beste für Sam, wenn sie nichts wüsste.
    Wie man sich täuschen kann.
    Für Sam mag es eine Katastrophe sein, dass Victoria Grace plagiierte. Dass sie überhaupt betrog, wenngleich Blanca sich nicht sicher ist, ob dieses Nachahmen von Grace’ Stil wirklich Betrug ist. Womöglich ist es faktisch mehr ein Weiterentwickeln, jedenfalls wird man sich da nicht festlegen können. Manche Künstler sind richtige Streithammel, es könnte böses Blut geben, wenn vor oder während der Ausstellung jemand dahinterkommt. Natürlich wurde in Victorias Werk bislang nie ein Bezug zu Grace May hergestellt. Dieser Name ist der Kunstwelt nicht bekannt, weil Grace keine Zeit hatte, dort eine Nummer zu werden. Was hätte es Victoria gekostet, alle Welt wissen zu lassen: Meine Ideen fußen auf denen meiner Schwester Grace? Sie kam bei einem tragischen Unfall ums Leben, ich sehe es als meine Aufgabe, ihr Lebenswerk weiterzutragen?
    Es wäre ein Leichtes gewesen. Auf diese Weise wäre Grace zumindest geistig bei ihnen geblieben. Außerdem kommen Emotionen bei den Medien gut an. Für Gefühle hat die Welt Verständnis, für die vernünftige Einsicht nicht immer.
    Doch jeglicher Bezug auf Grace war durch diesen einen Beschluss, den die verbliebene Familie überstürzt traf, verunmöglicht. Grace hat es nie gegeben. Deshalb wird Sam die Wahrheit nicht erfahren. Sie darf sie nicht erfahren. Die Wahrheit könnte Sam dermaßen treffen, dass sie endgültig mit ihrer Familie bricht.
    Blanca verzweifelt an ihrer damaligen Bereitschaft, die große Lüge mitzutragen. Sie hätte sich wehren können. Aber sie war zu geschwächt durch zwei Todesfälle. Ihr war fast nichts geblieben, außer Victoria, und natürlich außer Sam. Und Sam wurde zu ihrem ein und alles, sodass Blanca, als Victoria argumentierte, die Familie müsste das Mädchen schützen, sofort einverstanden war. Ohne nachzudenken. Dazu war keine Zeit. Nach Isaacs Tod war so viel zu regeln, zu tun! Robert rackerte sich für die Firma ab, kroch immer am Limit herum, zwischen Pleite und einem weiteren geschenkten Jahr. Von ihm konnte Blanca keine Unterstützung erwarten. Ohnehin war Robert nie ein Mann der Machtworte.
    Victoria hatte erste künstlerische Erfolge.
    Blanca gönnte sie ihr, sie spürte, welches Glück Victoria in der Kunst erfuhr, wie sehr sie sich eine Karriere als Künstlerin wünschte und wie sie mit jedem verkauften Bild, mit jeder positiven Kritik in den Medien wuchs. Stück für Stück erarbeitete sie sich, was sie sich erträumte. Blanca war stolz auf sie. Die zu kurz gekommene Tochter – nun entwickelte sie sich, nun besaß sie ausreichend Raum.
    Ich hätte es merken können, denkt Blanca selbstkritisch. Ich interessierte mich doch für Grace’ Bilder, ihre frühen Skizzen, die noch in ihren 20ern eine Schulmädchenhandschrift aufwiesen. Zu vorsichtig, zu behutsam. Und die, als sie diesen Mann kennenlernte, frecher wurden, unkonventioneller, bunter. Freier.
    Wie hieß er eigentlich?, zerbricht Blanca sich den Kopf. Genau. Laurenz. Ein rothaariger, bulliger Typ mit dem Hang, Dinge zu zerfleischen. Die Überbleibsel nannte er Kunst. Laurenz hat Grace letzten Endes zwar nicht gut getan, urteilt Blanca. Er hat sie ausgenutzt und dann stehen lassen, aber künstlerisch hat er ihr einen Schub gegeben. Isaac hat die von Laurenz inspirierten Bilder nicht gemocht, erinnert sich Blanca. Er wollte Grace in eine andere Richtung schieben, las Kunstzeitschriften und führte Interviews mit Koryphäen für seine Magazine, einzig und allein aus dem Grund, für Grace’ Fortkommen etwas herauszuholen. Isaac gab den Weg vor, den Grace seiner Meinung nach einzuschlagen hatte. Was sie nicht wollte.
    Doch sie liebte ihren Vater. Sie konnte sich ihm nicht entziehen. Seiner Liebe nicht und seiner Dominanz nicht.
    Zwei Amseln stoßen wie Kamikazeflieger auf den Rasen herunter und streiten um Beute. Das wütende Tschilpen geht Blanca unter die Haut, sie steht auf, klatscht in die Hände, macht »Sch, sch!« Die Vögel hüpfen ein paar Meter weg, beginnen von vorn mit ihrem Zank.
    Und dann Griechenland. Wenn Blanca sich die Fotos von diesem John Carrick ansieht, entdeckt sie da eine andere Grace als die, die in ihren Träumen umgeht. Eine Grace, die sich freischwimmt von zwei dominanten Männern, indem sie dicke, grellfarbige Paste auf Leinwand aufträgt. Indem sie sich spreizt für einen Mann, der sie

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