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knallte ich mit meinem Bein die noch offen stehende Tür hinter ihm zu und fläzte mich anschließend verärgert auf die Couch. Ich war maßlos enttäuscht, denn schließlich hatte ich mir von diesem Mann mehr erhofft, als mich von ihm wie eine kriminelle Hure behandeln zu lassen. Welch beleidigende Anmaßung! Ich hob den zerknüllten Geldschein wieder auf und strich ihn sorgfältig glatt. Steckte ihn ein und begab mich bedrückt auf den Nachhauseweg.
Kapi tel 10
„Es ist etwas Furchtbares passiert!“, empfing mich meine Mutter, als ich das Haus betrat. Sie war völlig aufgelöst, so dass ich annahm, dass Hugo vielleicht kopfüber in die Knetmaschine gefallen war.
Deswegen hakte ich besorgt nach: „Ist Eukalyptus etwas zugestoßen?“
„ Nein, nein, deine Schwester, ihr Freund … sie ist am Ende!“
Ohne mich zu vergewissern, was nun eigentlich los war, stürmte ich in das Zimmer von Rosalie. Sie lag weinend und zusammengekrümmt wie ein Riesenembryo auf ihrem Bett. Die Vorhänge waren zugezogen und das Zimmer war mit einer Unmenge von Tee- und Grablichtern beleuchtet, während aus der Stereoanlage gregorianische Chöre ertönten. Eine Atmosphäre, die jedem positiv denkenden Menschen zwangsläufig dazu bewegt hätten, Gevatter Tod als kompetenten Lebensberater um Hilfe zu bitten.
Ich schaltete die Musik ab, setzte mich zu meiner Schwester aufs Bett und streichelte ihr behutsam über ihre rotblonden Locken. Sie hielt das gerahmte Foto von ihrem Thomas fest an sich gepresst.
„Was ist geschehen Rosalie, ist er tot?“, flüsterte ich ängstlich.
„ So gut wie“, stammelte sie schluchzend und kuschelte sich an mich.
Ich war erleichtert, als ich erfuhr, dass sich Thomas lediglich aus der Not heraus für einen Studienplatz in Hamburg entschieden hatte.
„Aber Hamburg ist doch nicht am Ende der Welt!“, versuchte ich zu trösten.
„ 650 Kilometer!“, fauchte sie verzweifelt.
„ Aber wenn du deine Ausbildung beendet hast, kannst du doch zu ihm nach Hamburg ziehen, als Arzthelferin findest du dort sicher auch einen Job!“
Ich versuchte , sie davon zu überzeugen, dass diese Entfernung nicht automatisch die endgültige Trennung nach sich zog. Ich schlug ihr vor, jeden Monat nach Hamburg zu reisen und die Wartezeit mit Telefonaten und Briefe schreiben zu überbrücken. Aber meine aufmunternden Vorschläge fruchteten wie Fliegenpilze im Wüstensand. Zu Recht. Auch ich glaubte nicht ernsthaft daran, dass sich diese Beziehung langfristig gesehen, aus einen angesammelten Gefühlsdepot von leidenschaftlichen Schwüren, romantischen Erinnerungen und verklärten Besitzansprüchen nähren konnte. Thomas würde dem verlockenden Charme der Großstadtmetropole nicht widerstehen können. Er würde ins Abenteuer abtauchen wie ein Meeresbiologe in unerforschtes Terrain. Und er würde sich nicht verpflichtet fühlen, sich für seine Neugierde zu rechtfertigen. Rosalies Bild würde mit der Zeit in seinen Gedanken verblassen wie die Tinte mit denen sie ihre Liebesbriefe schrieb, und ihr erfrischendes Lachen, wird irgendwann in seiner Erinnerung verstummen. Genau wie das ersehnte Telefonklingeln, auf das sie täglich warten würde. Jedoch hütete ich mich davor, meine Vermutungen Preis zu geben und ließ mich ungehemmt in den schmerzerfüllten Sog der Hoffnungslosigkeit hinabziehen.
Ich nahm teil, an der faszinierenden Welt des Herzschmerzes und ergötzte mich sehnsüchtig an dem Leid, das mir bis jetzt vorenthalten wurde. Schlagartig wurde mir bewusst, was ich bis jetzt bei meinen Eroberungen vermisst hatte.
Ich weinte. Aber nicht um Rosalie, sondern um mich, weil ich dieses tief greifende Gefühl noch nie erleben durfte. Der pure Neid quetschte wie eine Saftpresse die Tränen aus mir heraus, und die Angst, von dieser Leidenschaft vielleicht ein Leben lang verschont zu bleiben, schlang sich wie eine eiskalte Hand um meinen Hals. Rosalie fiel mir jammernd in meine Arme, ohne zu bemerken, dass ich es war, die sich trösten ließ.
„ Ich liebe ihn, ich kann ohne ihn nicht leben!“, wimmerte sie herzzerreißend, und ich fragte mich, ob ich diese Worte in meinem Leben auch einmal sagen durfte.
Warum verdammt noch mal, wurde es mir auch immer so leicht gemacht. Warum zum Kuckuck , hatte es noch keiner dieser Kerle auf die Reihe gebracht, meinen Stolz zu brechen. Warum war keiner stark genug, mich zappeln zu lassen, oder einfach zu sagen: dass ich einen zu fetten Arsch hatte, Beine wie Abflussrohre, und
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