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dürfte.
Ich dagegen wurde von der Hausangestellten nur mit einem scheelen Blick bedacht, der unmissverständlich darauf hindeutete, dass ich in ihren Augen nicht willkommen war. Ganz anders reagierte sie Melchior gegenüber. Sie strahlte ihn wie einen Heiligen an und fiel ihm vor Freude um den Hals.
„ Wie schön dich zu sehen, wir haben dich alle sehr vermisst!“, heischte sie, während ich ins Abseits gedrängt, auf Melchiors Reaktion achtete.
Ich hatte den Eindruck, dass ihm diese stürmische Begrüßung ziemlich in Verlegenheit brachte. Er ließ zwar zu, dass sie ih n umarmte, aber reagierte weitaus unverbindlicher als von der jungen Dame erwünscht.
„ Hallo Olga, schön dich zu sehen“, erwiderte er lächelnd.
Ich schätzte Olga auf Ende zwanzig, sie war blond, sehr schlank und auffallend groß. Ihre Schultern hatten sie leicht nach oben gezogen, so dass ihr Kopf wie eingezogen wirkte. Sie besaß wasserblaue Augen, die ein wenig zu sehr voneinander abstanden und so ihre Nase breiter erscheinen ließ als sie war. Sie sprach mit polnischem Akzent, der sich zwar recht putzig anhörte, sie mir aber nicht sympathischer machte. Sie half Melchior aus der Jacke, hängte sie sorgfältig auf einen Bügel und rief in Richtung Treppe:
„ Frau Thea … Herr Bruno, Melchior ist da!“
Während Olga auf Melchior einredete und ihm alles berichtete, was sich im letzten Jahr in der Familie zugetragen hatte, nutzte ich die Zeit und bestaunte die Hirschgeweihe und ausgestopften Fasane, die an den Wänden angebracht waren. Ich fand das alles sehr appetitlich und freute mich schon auf einen leckeren Wildbraten, als Melchiors Vater die Treppe herunterkam und mich herzlich begrüßte. Er wirkte rüstig, gutgelaunt und bat mich freundlich in die gute Stube zu kommen und mich wie zu Hause zu fühlen. Das hätte ich liebend gern getan, wenn da nicht diese Stimme gewesen wäre, die mir wie ein eisiger Windzug ins Genick fauchte.
„Willst du mich der Dame nicht erst einmal vorstellen, Bruno?“
Wie im Zeitlupentempo drehte ich mich um, wohl ahnend, dass die Stimme nichts Gutes versprach.
Melchiors Mutter sah mich mit einem blasierte n Lächeln an und warf sich den Zipfel ihres Seidenschals über die Schulter und schritt auf bemerkenswert hohen Absätzen die Treppe hinab. Sie hatte keine herbeigesehnten grauen Löckchen, sondern pechschwarze, schulterlange glatte Haare, die exakt auf eine Länge geschnitten waren. Und anstatt einer Schürze war sie in ein weinrotes Kleid gewandet, das ihr bis zu den Knöcheln reichte. Das entweder maßgeschneidert oder sehr teuer war.
„ Oh je“, dachte ich, der Frau hätte ich wohl lieber ein Wellness Wochenende am Gardasee schenken sollen, anstatt Omas Kochlöffel .
Ich sah sie verblüfft an und fragte mich, wie ich wohl mit 6 9 Jahren aussehen würde. Vielleicht sprang ich mit einer bauchfreien Jeans und meine Haare zu Zöpfen geflochten, meinen Gästen entgegen. Und Melchior rutscht mit seinen 75 Lenzen, in knappen Shorts bekleidet wie ein geölter Blitz das Treppengeländer herunter und zwickt mich dabei in den Hintern.
„ Das ist Luisa, Mutter“, sagte Melchior.
Er war mir mit der Begrüßung zuvorgekommen und küsste seine Mutter auf die Wange.
„Guten Tag, Frau Sperling. Ich freue mich, sie kennenzulernen und möchte mich für ihre Einladung bedanken“, sagte ich artig und reichte ihr die Hand.
„ Sie heißen also Luisa, was für ein wohlklingender Name“, sagte sie auffallend betont und nahm mich interessiert in Augenschein.
„ Sie wollen sich sicher vor dem Essen noch etwas frisch machen, sie sehen ziemlich mitgenommen aus“, stellte sie weiter fest und gab ohne meine Einwilligung abzuwarten, Olga die Anweisung, mir das Gästebad zu zeigen.
Obwohl ich mir wie ein kleines Kind vorkam, das von der Mutter angewiesen wurde sich vor dem Essen die Hände zu waschen, folgte ich Olgas schweren Schritten, die mich ins oberste Stockwerk führten.
Ich schloss mich im Bad ein, setzte mich auf den Rand der Badewanne und holte erst einmal tief Luft.
„ Wie sollte ich das bloß zwei lange Tage hier aushalten?“, fragte ich mich und dachte an mein Geschenk, das ich glücklicherweise im Kofferraum vergessen hatte. Ich warf einen kritischen Blick in den Spiegel, um zu sehen, ob ich wirklich so mitgenommen aussah, wie Melchiors Mutter behauptete. Sie hatte Recht, die lange Fahrt hatte ihre Spuren hinterlassen. An meinem Rollkragen hatten sich Make-up Spuren abgesetzt. Meine
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