B155 - Die Mafia schickte ihre Henker
unabhängige, unvoreingenommene Zeugen«, sagte ich. »Ärzte und Schwestern des Krankenhauses, Charley Bauers Frau und sein Sohn – und ein Staatsanwalt. Ich denke, das reicht, um Sie bis ans Ende Ihrer Tage nach Sing-Sing zu bringen.«
Rynerson zuckte nur verächtlich die Schultern. Dann fiel er plötzlich wieder in sich zusammen. Die jäh aufflackernde Hoffnung war verlöscht.
»Leugnen hat keinen Zweck mehr, Rynerson. Wollen Sie nicht endlich den Mund aufmachen und uns erzählen, wen Sie angerufen haben?«
Rynerson schüttelte den Kopf. Seine Stimme War leise, kaum hörbar, als er sagte: »Wenn ich sie verrate, legen sie mich um. Aber wenn ich dichthalte, bekomme ich den besten Anwalt, den ich mir nur wünschen kann.«
»Ihnen kann kein Anwalt mehr helfen!« sagte ich.
»Mag sein, aber ich darf nicht nur an mich denken. Ich habe eine Frau. Was wird aus ihr, wenn ich im Zuchthaus bin?«
Ich wußte, was er meinte. Wenn er Fabini verriet, würde er selbst im Zuchthaus nicht vor der Rache des Gangsterbosses sicher sein. Wenn er aber den Mund hielt, würde Fabini dafür sorgen, daß seine Frau in den nächsten Jahrzehnten keine Geldsorgen mehr hatte. In solchen Dingen ist die Mafia großzügig.
Ich brach das Verhör ab und ließ Rynerson abführen. Rynerson ging mit hängendem Kopf davon, als führe ihn sein Weg unter den Galgen.
***
Das Haus stand kurz vor dem Abbruch. Die ’Baupolizei hatte den Abbruch längst angeordnet, aber der Hausherr hatte die Sache von Woche zu Woche verschoben in der Hoffnung, daß der alte Kasten einstürzen würde und er sich dadurch einen Großteil der Abbruchkosten ersparen würde. Es schien, als würde seine Hoffnung bald in Erfüllung gehen.
Der einzige Mensch, der in dem Haus wohnte, war Snoopy McDivitt, und der war eine ebensolche Ruine wie das Haus. Er wohnte noch hier, weil es ihm egal war, wo er wohnte, und weil es ihm ebenso egal war, wo er starb. Der Gedanke, daß ihm das Haus jeden Augenblick über dem Kopf Zusammenstürzen konnte, erschreckte ihn nicht mehr.
Das einzige, was ihn schreckte, waren jene kurzen Pausen qualvoller Nüchternheit, wenn die Wirkung des Kokains nachgelassen hatte und er kein Geld besaß, neues Gift zu kaufen. Dann brach für ihn die Hölle aus.
De Sica parkte den Wagen einige Häuser vor dem Unterschlupf Snoopys. Das letzte Stück ging er zu Fuß. Es würde auffallen, wenn vor dieser Bruchbude ein Auto stand, und de Sica wollte auf jeden Fall vermeiden, aufzufallen.
Er blieb vor dem Haus stehen und sah die graue Wand hinauf. Die meisten Fensterscheiben waren längst von spielenden Kindern eingeworfen worden, und der Nachtwind pfiff durch die Löcher.
De Sica zögerte, das Haus zu betreten. Diese alte häßliche Bude war ihm geradezu unheimlich. Er hatte keine Angst vor Revolvern, die auf ihn gerichtet waren, aber Treppen, die bei jedem noch so vorsichtigen Schritt einzustürzen drohten, waren etwas, wogegen man sich nicht wehren konnte. Dieses Haus zu betreten, erforderte mehr als Mut. Es erforderte den Fatalismus eines Mannes, der mit dem Leben abgeschlossen hat, und dem es gleichgültig ist, ob er heute stirbt oder morgen.
De Sica wollte noch nicht sterben. Er wollte am Leben bleiben, wenigstens so lange, bis er seine Tochter befreit und an seinen Feinden tödliche Rache genommen hatte. Und gerade deshalb mußte er in das Haus. Der einzige Mensch, der ihm helfen konnte, war Snoopy.
De Sica gab der Tür einen kräftigen Tritt. Sie fiel polternd aus den Angeln. Von der Decke des Treppenhauses rieselte Kalk. De Sica zögerte noch einen Moment, dann trat er ein.
Er wußte, wo Snoopy wohnte, wenn man eine solche Existenz am Rande des Wahnsinns noch wohnen nennen konnte. Hoffentlich war Snoopy zu Hause. Und hoffentlich war er noch nicht an seinem verfluchten Kokain krepiert.
Unter anderen Umständen lag dem Gangsterboß wenig am Leben dieses menschlichen Wracks. Wenn er abkratzte, so verlor de Sica nur einen einzigen seiner nach Tausenden zählenden Kunden. Snoopys Tod wäre für ihn kein großer Verlust. Aber es wäre von Übel, wenn er sterben würde, bevor er de Sica das verraten hatte, was der Gangsterboß von ihm wissen wollte.
De Sica stieg die Treppe zum ersten Stockwerk hinauf. Es war stockdunkel im Haus, es gab längst kein elektrisches Licht mehr. Lediglich von der Leuchtreklame auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses fiel abwechselnd rotes und grünes Licht durch die Fenster des Treppenhauses.
Die Tür, hinter der Snoopy
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