Babel 2 - Dämonenfieber
Frage war nur, ob sie der Sache weiter nachgehen sollte, wenn sich wirklich herausstellte, dass kein magisch Aktiver darin verwickelt war?
Plötzlich betrat ein Mann den Raum, der eine schmale Schachtel in den Händen hielt und überrascht aufsah, als er merkte, dass er nicht allein war. Er sah aus, wie man sich gemeinhin einen IT-Studenten vorstellte: blass, gebeugte Schultern und eine tiefe Furche zwischen den Augen.
»Hallo«, sagte er mit einer angenehm tiefen Stimme und stellte den Karton auf dem Fensterbrett ab.
»Das ist Dr. Meier-Lenz. Er ist unser Facharzt für Blutspurenmuster«, stellte Mahler ihn vor und deutete dann auf Babel. »Rolf, das ist Frau Richter von der Versicherung des Bestattungsinstituts.« Vielsagend schaute er seinen Kollegen an, der Babel hastig die Hand entgegenstreckte.
»Hallo.«
»Hallo.«
O Gott, was immer in diesem Karton ist, ich hoffe, er hat sich die Hände gewaschen!
Die Männer unterhielten sich über den Fall. Ihr fiel auf, dass Meier-Lenz sie kaum ansah, wenn er sprach. Seine seltsame Unruhe übertrug sich auf Babel. Vielleicht war das aber auch kein Wunder, wenn man den ganzen Tag mit Toten arbeitete. Vielleicht wurde man da ungeduldig im Umgang mit den Lebenden.
Nachdem der Mann bestätigte, was sein Chef ihr bereits erzählt hatte, verabschiedete sich Babel mit dem Gefühl, dass die Gerichtsmedizin eine Sackgasse war. Alles hier war so penibel aufgelistet und abgestaubt, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass irgendwer auch nur einen Kugelschreiber geschweige denn eine Leiche verlegte.
Als sie auf dem Rückweg am Büro der Sekretärin vorbeikam, hörte sie dahinter schon wieder die verärgerte Stimme, die der Presse vorbehalten war. Vor dem Gebäude rief Babel im Büro an und schilderte Karl ihren Eindruck.
»Scheint in Ordnung zu sein. Der Institutsleiter bürgt für seine Leute«, sagte sie, während sie die Stufen hinunterging.
»Wäre nicht der Erste, der sich diesbezüglich irrt.«
Sie warf einen Blick zurück auf die Steinlöwen. »Möglich, aber magisch gesehen war da alles in Ordnung. Einer der Mitarbeiter war recht nervös, aber sein Chef war auch nicht gerade der Ruhigste.«
»Kam er dir verdächtig vor?«
Sie zuckte mit der Schulter, obwohl er das gar nicht sehen konnte. »Verdächtig? Nein, er hatte jedenfalls keine kleinen Augen, die ihn verraten haben, oder eine Sonnenbrille mit spiegelnden Gläsern.«
»Mhm«, brummte Karl. »Seine Unruhe muss nicht zwangsläufig was mit diesem Fall zu tun haben. Leute in medizinischen Berufen neigen dazu, nervös zu reagieren, wenn man sie allzu genau befragt. Du weißt schon, Apotheker und ihre einträglichen Nebengeschäfte.«
Langsam lief sie die Straße hinunter. »Ich kann dir nicht folgen.«
»Manche verticken abgelaufene Medikamente an Junkies. Kommt nicht gerade selten vor. Wer weiß, was der Kerl nebenher laufen hat, das ihn nervös macht.« Er atmete tief aus, und sie hörte schon wieder das Klicken des Feuerzeugs durch das Telefon.
»Wenn es so ist, geht uns das jedenfalls nichts an«, sagte sie bestimmt. »Dafür hat mich schließlich niemand engagiert.«
»Was machst du jetzt?«, wollte er von ihr wissen.
»Ich werde mir noch mal Sonjas Wohnung ansehen, vielleicht gibt s dort einen Hinweis.«
»Na schön, aber wenn sich dort nichts ergibt, beenden wir die Sache. Es gefällt mir sowieso nicht, dass …«
An dieser Stelle unterbrach Babel die Verbindung und steckte grinsend das Handy in die Jackentasche. Auf Karls Vorträge zu ihrer Gesundheit hatte sie im Moment wirklich keine Lust. Während sie den nächsten Taxistand ansteuerte, hoffte sie inständig, dass irgendwer die blutigen Spuren des Verbrechens in Sonjas Wohnung beseitigt hatte. Nach dem Besuch in der Gerichtsmedizin war ihr nicht gerade danach, einen Blick auf blutbespritzte Wände zu werfen.
6
Nichts deutete darauf hin, dass sich in dem Gebäude eine Tragödie ereignet hatte. Der Eingang wurde von zwei weißen Säulen gesäumt, und in den großen Blumenkübeln davor waren inzwischen Veilchen gepflanzt worden. Alles sah ordentlich und gepflegt aus. Doch beim Anblick der Fassade lief es Babel kalt den Rücken hinunter.
Fast erwartete sie, einen Geist zu sehen oder irgendwie Madame Vendome auf der Totenebene zu spüren, aber da war nichts.
Sie warf einen Blick auf die Klingelschilder. Noch immer stand Madame Vendome auf dem für das zweite Stockwerk, als wäre sie nach wie vor Mieterin in diesem Haus. Offenbar hatte sich
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