Babel 2 - Dämonenfieber
noch kein Nachmieter gefunden.
Babel klingelte im Erdgeschoss und antworte auf ein barsches »Ja?« nur im selben Ton: »Post!« Als der Summer ertönte, schlüpfte sie ins Haus.
Marmorstufen führten nach oben, sie erinnerte sich gut an die bronzenen Handläufe und den roten Teppich, der die Schritte auf den Stufen dämpfte, und auch an das Messingschild im Erdgeschoss, das die Namen der Mieter auflistete. Der Name Vendome fand sich unverändert in der Liste. In diesem Haus existierte Madam Vendome noch so lange, bis der Hausmeister seine Leiter aus dem Keller holte.
Als Babel vor der Wohnungstür stand, an der ein Polizeisiegel klebte, erinnerte sie sich an das letzte Mal, als sie hier gewesen war. Noch einmal sah sie das Mädchen vor sich, das, gekleidet in eine französische Zimmermädchenuniform, für Sonja gearbeitet hatte – und in das Mikhail dann seinen Dämon hatte hineinfahren lassen.
Das Mädchen stand nach wie vor unter medizinischer Betreuung. Physisch war mit ihr alles in Ordnung, doch von der emotionalen Belastung erholte sie sich nur langsam. Sie konnte sich nicht im Einzelnen an die Vorgänge ihrer Besessenheit erinnern, aber es war, als lebte ein Teil des Dämons noch immer in ihr. Sie war reizbar, aggressiv und sprach manchmal wie in Trance von Nebeln, die sie umgaben. Die Ärzte wussten nicht, was sie mit ihr anfangen sollten, denn sie reagierte nicht auf die üblichen Behandlungsmethoden.
Ein einziges Mal hatte Babel sie auf der geschlossenen Abteilung besucht und ihr ins Ohr geflüstert: Du bist nicht verrückt. Die Nebel waren echt. Du darfst nur nicht mehr davon reden, wenn du hier rauskommen willst.
Danach schien sich der Zustand des Mädchens ein bisschen verbessert zu haben. Vielleicht hatte sie aber auch nur gelernt, ihre Ängste zu verbergen. Schon allein ihretwegen verspürte Babel kein schlechtes Gewissen darüber, Mikhail seine magischen Kräfte genommen zu haben.
Mit einem Energiestoß brachte sie das Türschloss zum Aufschnappen, und vorsichtig drückte sie die Tür nach innen. Vor ihr lag der breite Flur, in dessen Mitte ein runder Kamin stand, der mit kalter Asche gefüllt war. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn zu reinigen. Auch die Fotografien an den Wänden hingen noch an ihrem Platz. Die Gegenstände in den Wandnischen verströmten nur schwach magische Energien, denn es war niemand mehr hier, der sie auflud. Das Parkett zeigte Spuren zahlreicher Schuhe. Vermutlich waren die Kratzer durch die Polizisten entstanden.
Langsam ging Babel den Flur hinunter. Ohne die Anwesenheit der anderen Hexe, die die Luft mit ihren Energien füllte, wirkte er nur wie ein kalter Gang in einem unbewohnten Haus.
Ihre Schritte führten sie in den Salon mit den grünen Streifentapeten. Keine Sekunde zögerte sie, die Klinke nach unten zu drücken, denn jedes Zögern hätte sie zurückgezwungen. Hinaus aus dieser Wohnung ohne Leben. Daher trat sie entschlossen ein. Einer der burgunderfarbenen Sessel, die davor standen, war umgekippt. Die Porträtgemälde, die als Ahnengalerie hergehalten hatten, lehnten an der Wand.
Auch in diesem Raum fand sich nur noch eine schwache Spur der Hexe, die hier einmal gelebt hatte. Die Wände und der Fußboden waren zwar gereinigt worden, doch die Tapete wies dunkle Flecken auf.
Plötzlich hörte Babel ein Geräusch im Flur. Sie wirbelte herum, sprang hastig hinter die Tür und aktivierte ihre Magie. Durch die Lücke zwischen Rahmen und Blatt konnte sie auf den Flur linsen. Als sie jedoch erkannte, wer langsam auf den Salon zukam, ließ sie den Schutzwall wieder sinken und riss die Tür auf.
»Willst du, dass ich einen Herzinfarkt kriege?«, zischte sie, und Tom hob entschuldigend die Hände.
»Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Was schleichst du dich so an?«
»Ich schleiche nicht.«
Sie sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
»Schleichen erfordert ein Fortbewegen auf dem Bauch.«
»Ich sehe, du hast länger darüber nachgedacht.«
Er ging an ihr vorüber in den Salon, blieb aber schon nach wenigen Schritten wieder stehen, als sein Blick auf die Flecken an der Wand fiel.
»Was machst du hier?«, fragte sie und stellte sich neben ihn, während sie gemeinsam die letzten Spuren des Verbrechens anstarrten.
»Dir helfen.«
»Musst du nicht in der Wagenburg sein?«
»Die kommen auch mal einen Tag ohne mich aus. Karl hat mir gesagt, wo du bist.«
Misstrauisch musterte sie ihn. »Sag mal, das ganze Gerede über Clarissa und ihren
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