Babel 2 - Dämonenfieber
den Fingerspitzen.
Es war eine Art Kundenregister und enthielt ein Verzeichnis mit Namen und Abkürzungen, die Auskunft gaben, welche Mittel Madame Vendome an ihre Kunden verkauft hatte. Die Namen waren nicht verschlüsselt, die Rezepturen allerdings in chemischen Kürzeln geschrieben. Babel entdeckte einen Richter vom Verwaltungsgericht und eine Kundin, für die sie selbst auch schon einen Auftrag erledigt hatte.
»Glaubst du, ihre Geschäfte haben etwas damit zu tun, dass sie verschwunden ist?«, fragte Tom, und das klang, als würde Sonja noch leben.
Es war eigenartig, wie unpassend Sprache auf einmal wurde, wenn jemand gestorben war.
Nachdenklich schaute Babel auf das Buch. »Was hätte irgendwer davon, wenn er die Leiche seines Dealers verschwinden lässt?«
»Beweise vernichten?«
»Du meinst, irgendwer wollte nicht, dass rauskommt, dass er ab und zu eine Aufmunterung braucht und da … Was? Vergiftet er die berühmt-berüchtigte Madame Vendome und lässt danach ihre Leiche verschwinden? Nachdem die Obduktion durchgeführt und nichts gefunden wurde?«
»Ich gebe zu, die Theorie hat Schwachstellen.«
Babel seufzte und sah sich noch einmal in dem Labor um. »Ja, aber im Moment ist das unsere einzige Spur, das ist das Problem.« Sie schlug mit der flachen Hand gegen das Buch. »Das nehme ich auf jeden Fall mit.«
»Wozu? Willst du alle Namen auf der Liste überprüfen? Das sind mindestens zwei Dutzend.«
Sie atmete tief durch und schwieg, in der Hoffnung, er würde die Frage vergessen. Aber das führte nur dazu, dass er sie am Ellbogen fasste und sie zu sich umdrehte.
»Du hast doch hoffentlich nicht vor, was ich denke, das du vorhast«, sagte er mit ernster Miene.
Für einen kurzen Augenblick überlegte sie tatsächlich, ob sie ihn anlügen sollte, doch dann entschied sie sich dagegen. »Es ist nur ganz kurz, versprochen. Ich werfe einen winzigen Blick in die Totenebene, rufe Sonjas Geist zu mir, und wenn sie mir gesagt hat, wo ihr Körper ist, verschwinde ich wieder. So lösen wir den Fall am schnellsten.«
Automatisch trat er einen Schritt von ihr weg. Seiner ganzen Haltung war deutlich anzusehen, was er von der Idee hielt. Hexenmagie allein war bereits ein rotes Tuch für jeden Plag, aber das Beeinflussen der Toten musste ihm vorkommen wie einem griechisch-orthodoxen Priester die freie Liebe.
Für die Plags fand das Leben seinen Anfang im Fleisch, so wie es vor vielen Jahrhunderten bei ihren Vorfahren der Fall gewesen war, als die Alben ihre körperlose Existenz aufgegeben hatten.
Und das Leben endete auch dort.
Danach gehörte es in eine andere Ebene, die sich mit der der Lebenden nicht mischen sollte. Die aggressive Abneigung der Plags gegen Hexen war nichts im Gegensatz zu der tiefen Verstörung, die die Nekromantie in ihnen auslöste – und es war diese eine Sache, die selbst den meisten Hexen fremd blieb.
»Ich sehne mich nicht gerade danach …« Babel suchte nach den richtigen Worten, um ihm begreiflich zu machen, was ihr der Umgang mit den anderen Existenzebenen bedeutete. Er hatte gesehen, was mit ihr geschah, wenn sie auf die Dämonenebene wechselte – wie sollte sie ihm da versichern, dass die Toten keine Verlockung für sie darstellten? Es erklären, ohne Sam ins Spiel zu bringen?
Sie legte ihm die Hand auf die Brust, und unter ihren Fingern konnte sie seinen Herzschlag spüren. »Ich verstehe, dass es dir unangenehm ist … Aber wenn ich nicht versuche, damit umzugehen, dann werde ich auf immer diese Angst davor spüren und das … bringt mich um.«
Einen Moment lang musterte er sie, und das intensive Grün seiner Augen bannte Babel.
Sei kein Idiot, flüsterte die Stimme in ihrem Kopf. Merkst du nicht, welchen Fisch du da an der Angel hast? Einen wie den gibts nicht alle Tage.
Zögernd ließ er sie los und griff nach dem Buch, das sie in den Händen hielt. Doch als er es in seine Jackentasche stecken wollte, fiel ein Zettel heraus, der zwischen den Seiten geklemmt hatte. Tom bückte sich und hob ihn auf. Das Stück Papier entpuppte sich als Visitenkarte eines Clubs.
Venus Cage stand in goldenen Lettern darauf. Darunter eine Handynummer in verblassendem Grau.
»Kennst du den?«, fragte Babel, nachdem sie einen Blick daraufgeworfen hatte, und hielt die Visitenkarte in die Höhe.
»Nicht persönlich.«
Überrascht von seinem abweisenden Ton schaute sie auf. »Aber er sagt dir etwas?«
»Das ist nicht gerade ein Ort, an dem ich mich rumtreibe.«
»Wieso? Was machen die in
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