Babel 2 - Dämonenfieber
Balken für immer an sie erinnern, auch wenn ich ihren Namen nicht mehr lesen kann.
Entschlossen öffnete Babel den ersten Schrank und sah auf die unzähligen Schachteln, die die Regale mit Ritualzutaten füllten. Sie entnahm dem obersten Regal eine angestaubte Schachtel, deren Inhalt aus heller Knochenasche bestand. Es war eines der wenigen positiven Überbleibsel der vergangenen Tage, als sie noch Blutrituale mit Tieropfern durchgeführt hatte. Die Kadaver hatte sie verbrannt und sich so einen Vorrat Knochenasche für die nächsten Jahre gesichert.
Die Schachtel und die Packung Milch stellte sie in der Mitte des Zimmers ab, bevor sie eine flache Obstschale aus Granit aus dem zweiten Schrank nahm und ebenfalls dort platzierte. Mit Kreide zog sie einen Kreis, in dem sie genügend Platz fand, um im Schneidersitz darin zu sitzen. Tom wies sie an, an der Wand ihr gegenüber Platz zu nehmen, was er mit zu Fäusten geballten Händen tat. Dabei folgte sein Blick nervös ihren Vorbereitungen. Dass er bei ihr blieb, obwohl ihm die Magie so unangenehm war, rechnete sie ihm hoch an. Er war eben nicht der Typ, der einen im Stich ließ, wenn nicht klar war, ob man die Sache im Griff hatte. Vermutlich wäre er ihr auch auf die Totenebene gefolgt, wenn er könnte, nur um sicherzugehen, dass ihr nichts passierte. Während Sam eher der Typ war, der einen zum Bungeejumping aufforderte, spannte Tom lieber das Sicherheitsnetz, falls das Seil riss.
Diese Fürsorge war etwas Neues für Babel, und sie spürte bei Tom eine Geborgenheit, die Sam ihr nie vermittelt hatte. Mit dem Dämonenabkömmling war es immer ein Tanz auf dem Vulkan gewesen – und dabei konnte man sich schwer verbrennen.
»Während des Zaubers kann es im Raum kühler werden, das ist normal«, sagte sie, bevor sie mit dem Ritual begann. Sie streckte sich und versuchte die Muskeln zu lockern, um spätere Zerrungen zu vermeiden. Bevor sie den Kreis betrat, aktivierte sie ihr magisches Netz, das wie eine Fackel entflammte. Die Macht, die ihm innewohnte, wärmte Babel von innen, und sie konnte spüren, wie sich die Magie im Raum verteilte.
»Ich kann es auf der Haut spüren«, sagte Tom und fuhr sich mit der flachen Hand über den Arm. Seine Augen leuchteten beinahe, und fasziniert tastete Babel die Energiewellen ab, die von ihm ausgingen. Die besondere Herkunft der Plags war deutlich darin zu lesen.
»Es ist, als könnte ich dich auf der Zunge schmecken.«
Sie lächelte. »Das sind die magischen Energien. Wenn du an einer Batterie leckst, erzeugst du einen ähnlichen Effekt.«
Sein Blick wurde noch eindringlicher, und sie fragte sich, ob er seine hypnotischen Kräfte aktiviert hatte. Sie musste keine Hellseherin sein, um zu wissen, woran er in diesem Moment dachte. Als Babel das letzte Mal mit einer anderen Ebene in Kontakt gekommen war, hatte sie fast nicht mehr zurückgefunden. Tom sah aus, als würde er damit rechnen, dass sie jeden Moment das Bewusstsein verlor.
Sie konzentrierte sich auf sein Energiemuster, eine sanft pulsierende Wärmequelle, die ihr den Weg weisen würde, sollte sie die Orientierung verlieren.
Aufmunternd lächelte sie ihm zu, dann goss sie die Milch in die Schüssel und fügte so lange Knochenasche hinzu, bis das Ganze einen matschigen Brei ergab, während die Magie um sie herum floss. Babel hätte solcher Hilfsmittel nicht wirklich bedurft, doch dann würde sie das Ritual noch Tage später in den Gliedern spüren, und ihre kaum verheilten Rippenbrüche ließen diese Aussicht nicht gerade verlockend erscheinen.
Hexen griffen bei ihren Zaubern oft auf Symbole oder Sprüche zurück, die es ihnen erleichterten, sich auf die magischen Energien zu konzentrieren. Dabei nutzten sie häufig Bilder, die im kollektiven Unbewussten eine Rolle spielten, denn sie waren mythisch aufgeladen und leicht vorstellbar. In Sekundenbruchteilen lösten sie eine Assoziation im Betrachter aus.
Knochen und Milch – das eine stand für das, was übrig blieb vom Leben, das andere für die Anfänge des Lebens. Ihre Verbindung symbolisierte das Ineinanderfließen der Ebenen, und genau darum ging es Babel.
Noch einmal atmete sie tief durch, bevor sie beide Hände in die Schüssel tauchte. Als ihre Fingerspitzen den kühlen Brei berührten, spürte sie schon die Verschiebung der Ebenen. Auf der Zunge konnte sie den Geschmack nach Apfel wahrnehmen, und den Raum durchzog ein schwacher rauchgrauer Nebel. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Aufregung, Neugier und
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