Babel 2 - Dämonenfieber
Furcht wechselten sich mit jedem Schlag ab, und auf ihrer Stirn bildete sich Schweiß, der ihr an der Schläfe hinunterlief.
Du kannst das, es ist nicht dasselbe. Versuchung schmeckt anders.
Eisfarbene Schemen bildeten sich in der Luft, die nur sie sehen konnte. Ihre Gesichter waren nicht zu erkennen, doch keiner glich dem anderen. Nicht ein einziger dieser Schemen redete mit ihr. Babel kannte sie nicht. Vielleicht waren es Leute, die früher einmal in der Nachbarschaft gelebt hatten. Hinter ihren kalten Geistererscheinungen konnte sie noch immer Toms Energie spüren, warm und stetig, wie seinen Herzschlag.
Sie versuchte, ihr Anliegen im Kopf so deutlich wie möglich zu formulieren, damit der Gedanke in der Totenebene weitergetragen wurde. Sie hatte nie verstanden, wie die Kommunikation mit den Toten funktionierte – es war, als wäre Sprache nicht mehr nötig; die Toten wussten einfach, was die Hexe, die den Kontakt mit ihnen suchte, von ihnen wollte. Als würde allen Gedanken ein unsichtbarer Stoff anhaften, den sie wie einen Genich wahrnehmen konnten.
Nach einer Weile bildete sich ein neuer Schemen und näherte sich ihr bis auf eine Armlänge.
Diesen einen erkannte sie sofort. Sie hätte diese Aura überall und auf jeder Ebene erkannt, so vertraut war sie ihr. Dem Schemen hing immer noch etwas schwach Magisches an, wie es für Hexen typisch war. Innerhalb weniger Wochen sah sie ihn nun schon zum zweiten Mal auf der Totenebene, doch der Anblick erschütterte sie noch immer.
Hilmar.
Nachdem er ihr verziehen und sie die Schuld über seinen Tod endlich hinter sich gelassen hatte, konnte sie ihn ansehen, ohne diesen brennenden Schmerz über den Verlust zu spüren. Jetzt überkam sie eine sanfte Melancholie, die mit Bedauern einherging.
Der Schemen legte den Kopfschief, als wolle er sagen: Was machst du schon wieder hier?
Ich suche jemanden. Kannst du sie auf dieser Ebene für mich finden?
Vorsichtig zog sie die Hand aus dem Brei und griff nach dem Notizbuch, das sie aus Sonjas Wohnung mitgebracht hatte. Langsam tauchte sie das Buch in der Schüssel unter, bis es mit dem Milch-Knochen-Gemisch vollständig bedeckt war und seine Energien darauf übergingen. So übertrug sie das Energiemuster in die Totenebene, damit es der Schemen erkennen konnte.
Langsam entfernte er sich von ihr und löste sich auf, da wusste sie, dass er sich für sie auf die Suche begeben würde.
Während Babel auf ihn wartete, kamen die anderen Schemen näher, unwiderstehlich angezogen von der pulsierenden Lebensenergie, die von Babel ausging. Mit ihnen kam auch die eigenartige Kälte näher und erfasste sie wie ein Wind. Sie konzentrierte sich auf Toms Wärme. Die Gefahr bei den Toten bestand darin, dass man sich von ihrer Ruhe zu sehr angezogen fühlte. Ewige Ruhe war verlockend, denn in ihr fanden sich keine Sorgen, keine Begehrlichkeiten mehr, die den Lebendigen die Glieder schwer machten und das Herz zusammendrückten.
Als Hilmar nach einer Weile zurückkehrte, war er allein. Unruhig konzentrierte sie sich auf den Raum um ihn herum, aber es versteckte sich kein weiterer Schemen hinter ihm.
Obwohl Babels Geist in einer anderen Ebene unterwegs war, war die Verbindung mit ihrem Körper stark genug, um die Übelkeit zu spüren, die sie erfasste.
Wo ist sie? Hast du sie vielleicht übersehen?
Der Schemen schwankte hin und her: das Nein der Toten.
Babel verfluchte das Gefühl in ihrem Magen, das sie dazu veranlasst hatte, dieser Sache nachzugehen. Jetzt bekam sie die Bestätigung dafür, dass tatsächlich etwas nicht stimmte. Sie hegte keinen Zweifel daran, dass Madame Vendome tatsächlich tot war, und wenn sie auf der Totenebene nicht zu finden war, konnte das nur eines bedeuten …
Du hast es doch geahnt. Die ganze Zeit hast du schon daran gedacht. Nun sprich es auch aus.
Nekromantie.
Hilmar kam noch einmal dicht an sie heran, seine Nebelfinger berührten beinahe ihre Wange, zogen sich aber im letzten Moment zurück, als hätte er selbst Angst, sie zu berühren. Vielleicht spürten die Toten manchmal doch so etwas wie Sehnsucht. Und die konnte die Ruhe immer stören.
Babel verstand das.
Langsam zog sie die Hände aus der Schüssel und glitt auf ihre eigene Existenzebene zurück. Einen Moment lang war ihr schwindelig, als sich ihr Bewusstsein an die neuen Sinneseindrücke gewöhnte. Ihr Keuchen klang laut in dem stillen Kellerraum.
»Alles in Ordnung?« Tom sah sie besorgt an. »Du bist blass wie ein Laken.«
»Alles
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