Babel 2 - Dämonenfieber
Stadtzentrum konnte Babel weitere Quellen erkennen; eine war Judith, die andere musste Auguste sein. Das magische Netz ihrer Schwester war seltsam abgeschwächt und flackerte. Es sprach von der Störung, die Judith die Lebensenergie absaugte.
Clarissa hatte Judith sicher längst entdeckt. Wahrscheinlich nahm sie an, dass Babel sie herbeordert hatte, um ihr in der nahenden Auseinandersetzung beizustehen. Vielleicht verstand sie Judiths Ankunft auch als Kriegserklärung. Babel sollte Judith deswegen vielleicht besser warnen.
Bevor sie das Magiezimmer wieder verließ, ging sie zu einem der Schränke, in dem die Stahlkiste lag. Hier bewahrte sie ihre Rüstung auf. Es war ein gotisches Schmuckensemble, das aus einem fingerdicken Halsring aus Gold, Ohrringen mit roten Granatsteinen in der Form von Adlern und breiten Armreifen bestand. Der Schmuck war getränkt mit Magie, die so alt war wie das Gold, aus dem er gemacht war.
Babel hatte das Ensemble von ihrer Mutter zum fünfundzwanzigsten Geburtstag erhalten. Es war ein idealer Speicher und Leiter für magische Energien, und sie trug es immer dann, wenn sie glaubte, dass es brenzlig werden könnte. Der Goldschmuck war wie zusätzliche Energie, falls sie ihre eigene in einem Kampf aufbrauchen würde. Auch vor ihrem Kampf gegen den Dämon hatte sie ihn angelegt, weshalb sie vermutlich noch am Leben war.
Nachdem sie ihn umgelegt hatte, spürte sie, wie sich seine Energien in ihr magisches Netz einfügten. Es war ein bisschen wie ein Koffeinflash.
Ich könnte nie von der Magie lassen, dachte sie, als sie die Kellertreppe wieder nach oben stieg und weiter ins Schlafzimmer ging, wo sie ihr Outfit für den Clubbesuch raussuchte. Allerdings musste sie die halterlosen Strümpfe mit Naht erst ein bisschen aushängen lassen und die tiefrote Korsage abstauben, so lange hatte sie beides nicht mehr getragen.
Den schwarzen Ledermini fand sie nach einer halben Stunde verzweifelten Suchens in der hintersten Schrankecke, zwischen ihrem Badeanzug und einem alten Unterrock, zu dem es nicht einmal mehr das Kleid gab. Dass Babel den Reißverschluss am Rock überhaupt noch schließen konnte, grenzte schon an ein Wunder!
Das einzige Zugeständnis an ihren eigentlichen Kleidungsstil blieben die Springerstiefel mit den Stahlkappen. Damit konnte sie sich im Notfall auch Platz verschaffen, wenn ihr irgendein Typ zu nah auf die Pelle rückte. Möglicherweise half es auch gegen Sam.
»Warum habe ich mich eigentlich schon wieder bequatschen lassen?«, fragte sie seufzend ihr Spiegelbild, während sie sich schminkte und versuchte, ihre langen blonden Locken in eine vorzeigbare Frisur zu verwandeln.
Weil du es nicht erträgst, wenn ein Rätsel ungelöst bleibt? Außerdem hast du einen Kontrollzwang.
Mit jedem Accessoire, das sie anlegte, sah sie mehr aus wie ihre Schwester und immer weniger wie sie selbst.
»Wow!«, ertönte es plötzlich hinter ihr, und überrascht drehte sie sich um. Durch die Bewegung rutschte sie mit dem Lippenstift ab und schmierte sich einen breiten roten Strich auf die Wange.
»Toll.« Sie wandte sich wieder dem Spiegel zu.
Während sie mit einem Stück Klopapier den Lippenstift abwischte, klopfte ihr Tom auf den Hintern und setzte sich auf den Badewannenrand, um ihr zuzusehen.
»Ich hab dich gar nicht ins Haus kommen hören.«
Er grinste. »Meine Vorfahren waren Naturgeister, was erwartest du?«
Urd steckte neugierig den Kopf zum Badezimmer herein, schnupperte, entschied aber dann, dass Babels Anputzen für sie uninteressant war, und lief weiter. Vermutlich ins Schlafzimmer, wo sie ihren Sabber auf Babels Überdecke verteilen würde.
Im Spiegel warf Babel hin und wieder einen Blick auf Tom, dessen Hände voller Farbflecken waren und dessen Augen begeistert auf ihre Rückseite gerichtet waren.
Schon als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatten sie diese Hände fasziniert. Er besaß lange Finger, kräftige Handgelenke und manche Narbe, die sich blass gegen seine Haut abhob. Es waren Arbeiterhände.
Bei seinem Anblick erinnerte sie sich an das Versprechen, das sie Tamy gegeben hatte, und das schlechte Gewissen schnürte ihr die Kehle zu. Sie hatten sich keine ewige und unverbrüchliche Liebe geschworen – aber das war es auch nicht, was Tom hören wollte. Mit ihm ging es nur darum, ehrlich zu sein. Doch genau das fiel Babel so schwer.
Ein paarmal atmete sie tief durch, bevor sie sich neben ihn auf den Wannenrand setzte und sagte: »Ich war heute bei
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