Babel 2 - Dämonenfieber
französischer Akzent verstärkte sich, als er fragte: »Sollte ich mir Sorgen machen, wenn ich eure Mutter treffe?«
»Ach, Cherie, mach dir keine Sorgen.« Judith klopfte ihm auf die Schulter, und Babel bekräftigte: »Nein, wirklich, du musst nicht beunruhigt sein. Warum auch? Nur weil Mutter ein halbes Dutzend Sprüche kennt, um einem die Haut vom Leib zu ziehen, was ich übrigens wortwörtlich meine, ist das noch kein Grund, sich Sorgen zu machen.«
Als sich auf dem Gesicht des Nekromanten endlich so etwas wie Furcht zeigte, drehte sich Babel zufrieden um. Sie hakte sich bei Karl unter und hob die Hand zum Abschied, ohne sich umzudrehen. »Komm noch mal vorbei, bevor du abfährst«, rief sie über die Schulter, bevor sie die Suite verließen.
Vor dem Fahrstuhl bemerkte Karl trocken: »Das war fies.«
»Was soll ich sagen, ich bin die Tochter meiner Mutter.«
»Aha. Geht’s dir denn jetzt besser?«
Sie grinste. »Und wie. Nichts fördert die Gesundheit so sehr wie eine kleine Gehässigkeit.«
In der Lobby legte Babel fünfzig Euro auf den Tresen der Rezeption und sagte: »Das ist für die Reinigungskraft. Wegen des Teppichs.«
Sie blieben nicht stehen, um die Antwort der Hotelmitarbeiterin abzuwarten.
16
Nachdem sie das Hotel verlassen hatten, fuhr Karl zurück ins Büro, um den Backgroundcheck über Meier-Lenz durchzuführen. Er hatte ihr das Versprechen aus den Rippen geleiert, dass sie mit Tamy reden würde, wenn sie schon nicht mit ihm über den Rückfall sprechen wollte. In solchen Momenten war Tamy weniger Freundin als vielmehr AA-Sponsorin, und Babel wusste, wie man von einer Abhängigkeit loskam. Also tat sie zur Abwechslung tatsächlich, was Karl ihr riet, und klingelte bei Tamy.
Sie wohnte in einer der letzten Neubausiedlungen, in der Nähe eines Seniorenheims. In unmittelbarer Nähe lag ein kleiner See, dessen Entengrütze jedes Badevergnügen zunichtemachte.
Die Häuser waren bereits kurz nach der Wende saniert worden, und die unterschiedlich farbigen Fassaden und reichliche Straßenbepflanzung sollten davon ablenken, dass auch dieser Neubaublock mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatte wie jeder Neubaublock auf der Welt. Die Briefkästen waren beschmiert und der Fahrstuhl außer Betrieb. Auf den Fensterbrettern im Treppenhaus standen typische Büropflanzen, ein Teil davon schien sich gerade in Trockengestecke zu verwandeln. Doch durch große Fenster fiel helles Tageslicht, was das Ganze ein bisschen weniger trostlos machte.
Es dauerte eine Weile, bis Tamy die Tür öffnete. Sie trug Shorts und T-Shirt, und ihr langes Haar fiel ihr offen über die Schulter. Die linke Wange war gerötet und knittrig und ihre Augen leicht geschwollen.
»Hab ich dich geweckt?«, fragte Babel.
»Wie immer.« Tamy drehte sich um und überließ es Babel, die Tür hinter sich zu schließen. Sie schlurfte in die Küche, wo sie Kaffee aufsetzte.
Babel folgte ihr mit einem schlechten Gewissen. »Tut mir leid, ich kann auch später noch mal vorbeikommen.«
»Unsinn, jetzt bin ich ja schon mal wach. Muss ohnehin noch Wäsche waschen.« Sie deutete auf einen Stuhl. »Ich nehme an, du bist nicht hier, um mich zum Brunch einzuladen.«
Babel schüttelte den Kopf. Sie brachte Tamy auf den neusten Stand der Ermittlungen und erzählte ihr in stockenden Worten von ihrem Rückfall im Hotel. Während sie berichtete, unterbrach Tamy sie nicht, ließ sie einfach reden.
Erst als Babel stumm vor ihr saß, die Hände um die dampfende Kaffeetasse geschlungen, stützte sie das Kinn auf die Hand und sagte: »Du musst dich einfach von den Ebenen fernhalten, Babel. So etwas wie ›ein bisschen Abhängigkeit‹ gibt es nicht. Was glaubst du, warum ich keine Medikamente mit Alkohol nehme? Oder bei Pralinen darauf achte, dass kein Eierlikör drin ist? Wenn die Gefahr besteht, dass du einfach die Ebenen wechselst, dann kannst du auch nicht mehr auf die Totenebene gehen. Wenigstens das hat der Freund deiner Schwester schon ganz richtig begriffen.«
Babel wusste, dass Tamy recht hatte, sie hatte nur unterschätzt, wie wenig sie ihre Magie beeinflussen konnte, wenn sie erst einmal die Ebene wechselte.
»Komm wieder zu den Montagstreffen, Babel. Es wird dir guttun. Du musst niemandem erzählen, warum du eine Weile nicht da warst, sie werden nicht fragen. Aber ich habe das Gefühl, du brauchst das.«
Zögerlich nickte Babel. Die Nachmittagssonne schien durchs Fenster, der Kaffeeduft zog durch die Räume, und auf einmal wünschte
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