Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
getroffen hatte, kannte sie sich mit solchen Sachen aus.
Oh, hat dieses Dämonenkind nicht ein Gesicht zum Niederknien? Da vergisst man doch gern, dass in seinem Fahrwasser stets Katastrophen schwimmen, nicht wahr?
Bei dem Gedanken an Sam trat sie gleich fester auf, als könne sie mit den Absätzen die Erinnerung an ihn zertreten, aber das nützte natürlich nichts.
Wenn es so einfach wäre, hättest du das schon vor Jahren gemacht, nicht wahr?
Nachdem sich Samuel vergewissert hatte, dass sie den Angriff des Dämons überlebte, war er wieder untergetaucht. Es hatte ihm vollkommen gereicht, nach vier Jahren Funkstille plötzlich vor Babels Tür zu stehen und ihr Gefühlsleben erneut durcheinanderzubringen. Ausgerechnet, als sie dabei war, sich in Tom zu verlieben, musste sie feststellen, dass der Funke zwischen Sam und ihr noch nicht erloschen war. Eine einzige Begegnung reichte schon, um das Feuer neu zu entfachen – und eine kalte Dusche hatte nichts gebracht.
Danach war er jedoch wieder verschwunden, und obwohl sie damit zufrieden sein sollte, dass er sich seither nicht mehr bei ihr meldete, schien sie plötzlich nicht mehr in der Lage, ihn zu vergessen. Ständig tauchte er in ihren Gedanken auf, in ihren Träumen, und manchmal glaubte sie sogar, ihn auf der Straße zu sehen. Dabei wusste sie genau, dass er es nicht sein konnte, denn die magische Verbindung, die sie vor Jahren eingegangen waren, zeigte ihr an, wenn er sich ihr näherte.
Es war ein bisschen so, als würde man zu jemandem sagen: Denk nicht an ein tanzendes blaues Nilpferd! Und schwupps hatte man den Kopf voller Schwergewichte.
Wütend über sich selbst, weil sie schon wieder über ihn nachdachte, biss Babel die Zähne aufeinander und ging noch ein bisschen schneller. Als könne sie so vor den eigenen Gedanken davonlaufen.
Sam war für sie mindestens so verlockend wie die Ebene, von der sein Vater stammte, und manchmal kam es ihr vor, als wäre sie nicht wegen ihrer Abhängigkeit von der Dämonenebene in der Selbsthilfegruppe gelandet, sondern seinetwegen.
Und hast du das nicht wunderbar im Griff? , fragte die gehässige Stimme in ihrem Kopf. Da verschwindet die Leiche einer Hexe, und du hast nichts Besseres zu tun, als über deinen dämonischen Liebhaber nachzudenken. Erinnerst du dich denn gar nicht mehr an das, was dir deine Mutter über die Rituale beigebracht hat, in denen Tote verwendet werden? Warum fröstelt dich wohl bei dem Gedanken daran?
»Zombie …«, flüsterte Babel und schloss für einen Moment die Augen.
Nicht einmal, als Hilmar gestorben war, hatte sie daran gedacht, ihn zurückzuholen, denn er hatte ihr erzählt, wie sehr er die Nekromantie verabscheute. Sie hätte es nicht ertragen zu sehen, wie er seinen eigenen Willen an sie verlor und in einer verrottenden Hülle gefangen wurde. Lieber ertrug sie den Schmerz, den sein Verlust ihr bereitete.
Noch einmal schaute sie sich zu der Grabstelle um. Dort stand noch immer der Mann im Overall, der gelangweilt mit der Schuhspitze Erde in das Loch kickte, während er darauf wartete, ob weitere Leute zu Sonjas Beerdigung auftauchten, die er informieren musste.
Sie wandte sich wieder ab und ging nachdenklich weiter.
Vielleicht sollte sie sich auch gar keinen Kopf machen. Vielleicht gab es im Universum mehr Zufälle, als sie annahm, und irgendein Angestellter hatte tatsächlich einen Fehler begangen. Das kam vor. Das Internet war immerhin voll mit Videos, in denen Menschen die verrücktesten Dinge passierten.
Zufällig.
Und manchmal überlebten sie die sogar. Sonja würde es dort, wo sie jetzt war, schließlich gleichgültig sein, ob ihre Leiche den Weg in dieses ausgehobene Loch fand oder mit einer falschen Beschriftung in irgendeinem Kühlraum lag. So viel stand fest.
Hexen waren von Natur aus nicht besonders religiös, weil sie genau wussten, dass der von den meisten Kirchen propagierte Himmel nicht auf die Toten wartete, sondern einfach eine neue Daseinsform auf einer anderen Ebene. Solange ihre sterblichen Überreste nicht in nekromantischen Ritualen verwendet wurden, die ihre Ruhe störten, interessierte es die Toten nicht, was genau damit geschah. Das war auch der Grund, warum sich die meisten Hexen für eine Feuerbestattung entschieden. So gingen sie sicher, dass mit ihren Körpern kein Schindluder getrieben wurde.
Sollte Babel die Sache also einfach auf sich beruhen lassen und darauf vertrauen, dass irgendwem schon einfallen würde, in welchem Kühlraum Madame
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