Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Treppenabsatz im Rücken spüren.
Als sie im zweiten Stock die Tür mit der Milchglasscheibe erreichte, auf der in altmodischen Lettern Train and Care stand, hatte Babel bereits endgültig genug von diesem Tag, dabei war er noch nicht einmal zur Hälfte rum. In dem Moment, in dem sie die Tür öffnete, wandten Mo und Karl die Köpfe nach ihr um und blickten sie erwartungsvoll an.
»Was?«, blaffte sie, worauf Karl fragend die Brauen hochzog.
»Gute Laune, nehme ich an«, erwiderte er und drehte die Musik ein wenig herunter, gerade als ein klagendes love you-huu-hu in der Luft hing.
Wieder einmal trug er eines seiner geliebten bunten Hawaiihemden, die vor fünfzehn Jahren mal modisch gewesen waren, und sein blonder Schnurrbart leuchtete in der Sonne. Babel fand, dass er große Ähnlichkeit mit Asterix besaß, was sie ihm auch oft genug gesagt hatte. Allerdings bestritt er das vehement.
Er saß am Schreibtisch, den obligatorischen Zigarillo zwischen Zeige- und Mittelfinger, und blätterte in glänzenden Urlaubsprospekten.
»Willst du verreisen?«, fragte sie erstaunt, als sie an den Tisch trat, woraufhin er nervös den Blick abwandte. Das Zucken seines Mundes verriet ihr, warum.
»Vergiss es!«, sagte sie und zog ihre Lederjacke aus, die sie achtlos über die Lehne des Stuhls warf. »Ich fahre nicht in den Urlaub.«
»Hör mal, Babel. Vielleicht tut es dir ja ganz gut, wenn du mal …«
»Ich brauche keine Kur!«
»… du hast immerhin ziemliche Verletzungen erlitten …«
»… die verheilt sind.«
Genervt hob er die Hände und verteilte dabei Asche auf dem Fußboden. »Ja, mithilfe von Magie! Wenn du dich nicht selbst geheilt hättest, würdest du jetzt noch mit gebrochenen Rippen herumlaufen!«
»Tue ich aber nicht.«
»Für den Rest hat’s wohl nicht gereicht, was?«, fragte Mo schmatzend und sah ihr demonstrativ ins Gesicht. Aus der Küche, die sich an das Büro anschloss, hatte er sich einen Becher Joghurt geholt, mit dem er sich aufs Fensterbrett setzte. Die Füße stellte er auf dem Heizkörper ab und schaufelte in rekordverdächtiger Zeit Joghurt in sich hinein. Sein T-Shirt sagte an diesem Tag: Für mehr TROLLERANZ !
»Müsstest du nicht in der Schule sein?«
Er zuckte mit den Schultern. »Das fragst du mich jedes Mal.«
»Wann, sagtest du, kommen deine Eltern von ihrer Zirkustour zurück?« Babel verschränkte die Arme, aber die Frage schien ihn nicht zu interessieren. Nach einem Moment wandte sie sich wieder an Karl. »Sag mal, wieso bist du den nicht wieder losgeworden? Sind wir jetzt so eine Art Kindertagesstätte, oder was?«
Doch auch von Karl erntete sie nur ein Schulterzucken, das dem von Mo verdächtig ähnelte, und ihr kam der Verdacht, dass die beiden viel zu viel Zeit miteinander verbrachten.
Seufzend ging sie in die Küche, um sich einen Kaffee zu holen, der wie jeden Morgen auf sie wartete, weil Karl Frühaufsteher war. Auf dem Weg dahin kam sie an Xotls Käfig vorbei, der sie mit seinen kleinen gelben Augen finster anschaute. Der Bannkreis um den Käfig verhinderte, dass die dämonischen Energien Zugriff auf die Umgebung bekamen. Trotzdem sandten die Energien, die von dem Dämon ausgingen, der in dem Papagei gefangen war, ein stechendes Kribbeln über ihre Haut.
»… Gammelfleisch … krik-krik … grün und blau … ihk …« , krächzte der Vogel.
Babel zeigte ihm den Finger. »Ja, du mich auch.«
»… grün und blau … wau … mau …«
»Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich dir nicht schon längst den Hals umgedreht habe.«
Daraufhin folgte eine Reihe Flüche, die jedem Seemann zur Ehre gereicht hätten, und der einen oder anderen Puffmutter wohl auch.
Babel versuchte ihr Bestes, Xotl zu ignorieren, aber als der Papagei sie mit dem Nachkommen einer Bulldogge und eines Hängebauchschweins verglich, richtete sich ihr Blick wie von selbst kritisch auf den eigenen Hosenbund. Aber da war alles in Ordnung.
Missmutig rührte sie Zucker in ihren Kaffee. Dieser Vogel war wirklich eine Ausgeburt der Hölle! Und obwohl sie in der schlimmen Phase ihrer Magieabhängigkeit auch Tiere geopfert hatte, so brachte sie es doch nicht fertig, Xotl tatsächlich den Hals umzudrehen und damit dieses Überbleibsel ihrer dunklen Tage zu beseitigen.
Er erinnerte sie daran, dass das Beschwören von Dämonen Konsequenzen haben konnte: Wenn man Glück hatte, wurde man nur mit einem besessenen Papagei gestraft, der eine diebische Freude daran fand, die Menschen in seiner Umgebung zu
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