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Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Titel: Babel Gesamtausgabe - Band 1-3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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beleidigen. Hatte man allerdings Pech … hing man in der Dämonenebene fest und versank in einem Meer, klebrig wie Honig, und fand seinen Weg nicht mehr zurück. Was irgendwann dazu führte, dass man wie ein Komapatient dahinvegetierte.
    »Irgendwelche Nachrichten?«, fragte Babel, als sie wieder neben dem Schreibtisch stand, und Xotl hinter ihr vor sich hin murmelte: »Hexenbruuut … tut … tut … mit der Fluuut … fooort, fooort …«
    »Deine Mutter hat angerufen«, antwortete Karl, während er versuchte, mit der Fußspitze die herabgefallene Asche zu beseitigen, sie dabei aber lediglich breit trat. »Sie lässt ausrichten, dass du dich melden sollst, und fragt außerdem, ob du etwas von deiner Schwester gehört hast.« Er blickte auf. »Ehrlich, Babel, deine Mutter klingt am Telefon genau wie du.«
    Einen Moment lang wusste sie nicht, was sie sagen sollte, dann stammelte sie empört: »Ich … ich … klinge nicht wie meine Mutter!« Beleidigt setzte sie sich.
    Um Judith machte sie sich keine Sorgen. Sie hatte zwar schon länger nichts mehr von ihr gehört, aber das war nicht ungewöhnlich. Als Judith nicht wie angekündigt im Krankenhaus aufgetaucht war, hatte sich Babel nichts dabei gedacht – schließlich kam es oft vor, dass Judith ihre Pläne änderte. Ihr Charakter war sprunghaft. Sie brachte es fertig, mitten in einem Spiel Mensch-ärger-dich-nicht ihre Spielsteine auszutauschen, nur weil ihr die Farbe nicht mehr gefiel!
    Vermutlich hatte sie einfach einen neuen Mann kennengelernt und genoss gerade wieder einmal ihre frische Verliebtheit. Es gab kaum etwas, das Judith mit solcher Inbrunst betrieb wie das Verlieben. Und auch wenn das oft genug zu Schwierigkeiten führte, so war es doch nichts, was ihre Schwester nicht allein bewältigen konnte.
    »Wie war die Beerdigung?«, unterbrach Mo ihre Gedanken und kratzte in seinem inzwischen geleerten Joghurtbecher herum, bis Babel entnervt sagte: »Er ist leer!«
    »Wer?«
    »Der Becher!«
    Er sah auf das Stück Plastik herab, als würde er erwarten, dass es sich von allein nachfüllte. Nachdem es das nicht tat, wiederholte er die Frage.
    Babel zuckte mit der Schulter. »Hat gar nicht stattgefunden. Die Leiche ist weg. Offenbar haben die sie verloren.«
    »Verloren?«
    »Ihr wisst schon. Erst lag sie noch im Kühlhaus, und als die vom Friedhof kamen, um sie abzuholen, war sie plötzlich verschwunden und …« Sie fuhr mit der Hand durch die Luft. »… ist seitdem nicht mehr auffindbar.«
    »Du verarschst uns doch«, erwiderte Mo.
    »Keineswegs.«
    Lachend stellte er den Joghurtbecher auf den Schreibtisch, wo er umkippte und die Reste vom Deckel auf ein Blatt Papier schmierte.
    »Wie kann man denn einen Toten verlieren?«, fragte Karl empört. »Der ist doch nicht zu übersehen.«
    »… Fleischerei …« , schallte es aus der Nische zur Küche, und sie wandten alle drei die Köpfe.
    Kritisch musterte Babel den Vogel, der hektisch auf seiner Stange hin und her hüpfte. »Habt ihr auch manchmal das Gefühl, dass er mehr weiß und sich einen Spaß daraus macht, uns Informationen vorzuenthalten?«
    »Er ist nur ein Papagei.« Angewidert warf Karl den Joghurtbecher in den Papierkorb. Dann hob er das Papier an einer Ecke in die Höhe, bevor er es zerknüllte und dem Becher folgen ließ.
    »Ein Papagei mit einem Dämon drin!«, erinnerte ihn Babel.
    Ihr Partner warf ihr einen langen Blick zu.
    »Was?«
    »Wirst du der Sache nachgehen?«
    »Der Leiche?«
    Karl verzog das Gesicht, während sie die Hände hinter dem Kopf verschränkte.
    »Keine Ahnung, ehrlich.«
    Was ging sie die Sache schon an? Sie musste sich nicht jedes Problems annehmen, dessen sie ansichtig wurde, schließlich besaß sie selbst genug davon. Wenn sie klug war, würde sie einfach vergessen, was sie heute erfahren hatte.
    Das Problem war nur, dass sich da bereits dieser Gedanke in ihrem Kopf festgesetzt hatte, der sie nicht mehr losließ: Niemand verliert eine Leiche.
    Und die einer Hexe dazu.
    Mit diesem Gedanken war es wie mit einer umgeklappten Teppichkante: Wenn man sie erst mal entdeckt hatte, konnte man sie nicht mehr ignorieren und erst wieder beruhigt atmen, wenn sie begradigt war.
    Schade, dass Menschen keine Teppichkanten sind, die man mit einem Fußtritt begradigen kann, was?
    Gerade als sie Karl von dem komischen Gefühl in ihrem Magen erzählen wollte, das sie seit dem Friedhof begleitete, erfasste sie eine magische Welle, die ihr die Nackenhaare aufstellte. Ein Prickeln auf der Haut,

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