Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
sagte Sam gelassen.
»Und natürlich erwartest du, dass ich zusehe, wie ihr euch den Schädel einschlagt, ja?« Nun war ihre Aufmerksamkeit ganz auf ihn gerichtet, und er verstand sie in dieser Hinsicht auch ohne Worte sehr gut.
»Ich werde ihn schon nicht umbringen.«
»Ja, du bist dafür bekannt, dass du deine Wut gut im Griff hast, nicht wahr?« Heftig schlug sie mit der Faust aufs Dach. »Mir reicht’s jedenfalls für heute. Wenn ihr euch prügeln wollt, dann macht das zu einem anderen Zeitpunkt.« Damit stieg sie ein und knallte die Tür hinter sich zu. Sie konnte nicht hören, was Tom zu Sam sagte, das Gemurmel drang nur schwach zu ihr herein, aber es dauerte nur wenige Sekunden, bis er ebenfalls einstieg und den Motor anließ.
Als sie losfuhren, sah sie im Rückspiegel, wie Sam ihnen nachschaute. Auf einmal wirkte er nachdenklich und müde, und diese Müdigkeit übertrug sich auf sie. Erschöpft ließ sie den Kopf gegen die Scheibe sinken.
»Warum bist du gekommen?«, fragte sie leise mit geschlossenen Augen.
Es dauerte eine Weile, bis Tom antwortete. Er sprach ruhig, vermutlich hatte er gründlich darüber nachgedacht. »Um dir etwas bewusst zu machen. Ich bin nicht naiv, Babel, und ich habe nie daran geglaubt, dass jeder von uns nur einen einzigen Menschen lieben kann. Eigentlich ist das sogar eine ziemlich deprimierende Vorstellung, Liebe so zu begrenzen.«
Bei seinen Worten wandte sich Babel zu ihm um. Das einzige Zeichen seiner Aufgewühltheit waren die trommelnden Finger auf dem Lenkrad. »Aber?«
»Ich weiß nicht, ob ich diese Sache zwischen dir und Sam akzeptieren kann. Nicht nur, weil ich ihm jedes Mal das Herz rausreißen möchte, wenn er dich anfasst, sondern weil er ist, wie er ist. Typen wie er nehmen auf nichts Rücksicht. Es ist ihnen egal, wem sie mit ihren Machenschaften wehtun, und das macht mich krank.« Noch einmal machte er eine Pause, in der er tief Luft holte. »Ich weiß aber auch, dass ich dich nicht verlieren will.«
Seine Großzügigkeit machte sie sprachlos.
Und auch seine Liebe zu ihr. Sie hätte ihm gern versichert, dass dieses Zugeständnis den Ausschlag dafür gab, sich für ihn zu entscheiden, aber das konnte sie nicht. Stattdessen legte sie ihre Hand auf seine.
»Ich habe nie wieder einen Mann so geliebt wie Sam. Bis jetzt.«
»Und was fangen wir jetzt damit an?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Den Rest des Wegs saßen sie schweigend im Auto.
In dieser Nacht hatten sie keinen Sex, als hätten sie Angst, eine Berührung könnte das dünne Band des Einverständnisses zwischen ihnen zerreißen. Doch sie lauschte seinen gleichmäßigen Atemzügen in der Dunkelheit, und als ihre Magie instinktiv nach ihm griff und ihn mit Wärme umhüllte, ließ er es geschehen, ohne ein Wort zu sagen.
14
Am nächsten Morgen stand Tom zeitig auf und verließ das Haus, noch bevor er die erste Tasse Kaffee getrunken hatte. Babel nahm es ihm nicht übel.
Mit dem Motorrad fuhr sie ins Büro, wo Karl ihr genervt mitteilte, dass Daniel bereits dreimal angerufen hatte, um zu fragen, ob sie schon etwas herausgefunden hätten. Die Polizei kam in ihren Ermittlungen auch nicht weiter, der ganze Fall war den Verantwortlichen äußerst peinlich, und inzwischen hatte die Nachricht von der verschwundenen Leiche auch die Boulevardmedien erreicht.
»Der reinste Zirkus«, kommentierte Karl das Geschehen, und Xotl krächzte: »Haaackfleiiisch … krik …« Dann würgte der Papagei so lange, bis er einen ekligen Batzen Irgendwas ausspuckte, der möglicherweise ein Rest Salamipizza war. Der Blick seiner kleinen gelben Augen wanderte zwischen Babel und dem Batzen hin und her, womit er ihr wohl zu verstehen geben wollte, was er von ihr hielt.
Sie warf ein zerknülltes Blatt Papier auf den Käfig, worauf der Papagei wild mit den Flügeln schlug.
»Hexenschaaande! Stinkt, stinkt, stiiinkt … krik …«
»Wir könnten ihn doch für Demonstrationen trainieren«, stellte Babel fest. »Oder politische Reden. Stell dir vor, wenn sie das nächste Mal öffentlich über die Kürzungen im Sozialbereich diskutieren, lassen wir ihn im Rathaus los.« Auffordernd sah sie Xotl an. »Was hältst du eigentlich von unserem Bürgermeister?«
»Stiiinker …«
Zufrieden verschränkte Babel die Arme und sah über die Schulter zu Karl. »Na bitte, geht doch.«
Nachdem sie sich aus der Küche Kaffee geholt hatte, setzte sie sich an den Schreibtisch und hörte sich an, was Karl über Auguste zu sagen hatte. Viel war es
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