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Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Titel: Babel Gesamtausgabe - Band 1-3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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teilte Sams Meinung, was das finanzielle Potenzial dahinter betraf, ebenso wie die Einschätzung von Babels Vorstellungskraft. Außerdem überlegte er laut, ob man nicht der Hutmacherin aus dem Erdgeschoss mit einem solchen Trank zu mehr Freude im Leben verhelfen könnte.
    »Wo ist eigentlich Mo?«, fragte Babel irgendwann, als sie genug Spekulationen über Yolandas Sexleben gehört hatte.
    »Zur Abwechslung mal in der Schule. Hat er zumindest behauptet. Drauf wetten würde ich aber nicht.«
    »Ich verstehe sowieso nicht, warum du die kleine Mistkröte weiter bei dir wohnen lässt.«
    Beinahe nachsichtig schaute Karl sie an, und sie wusste, er würde gleich etwas sagen, das sich auf den Altersunterschied zwischen ihnen bezog. Er faltete die Hände vor der Brust wie ein Priester, bevor er antwortete: »Weißt du, als ich in seinem Alter war …«
    »O bitte nicht!«, stöhnte sie. »Verschon mich mit deinen Weisheiten.«
    »Siehst du, das ist jugendliche Arroganz, dabei könntest du durchaus von mir lernen, denn das Alter ist nun mal weiser.«
    »Es ist vor allem schwerhörig, wenn man nach der Lautstärke geht, mit der du regelmäßig die Nachbarn beschallst.« Sie schob die Tasse, in die er aschte, auf Armeslänge von sich fort. Am Boden verband sich der Kaffeerest mit der Asche zu einem widerlichen grau-schwarzen Satz, der jedem einen fürchterlichen Tod voraussagen würde, der versuchte, daraus etwas zu lesen.
    »Was ich eigentlich sagen wollte«, fuhr Karl ungerührt fort, »ist, dass Mo wie die meisten Kinder einfach ein bisschen Verständnis braucht. Immerhin hat er nicht viele Leute, die sich um ihn kümmern.«
    »Er hat eine ganze Wagenburg voller Plags, die sich um ihn kümmern.«
    Karl winkte ab. »Das meine ich nicht. Sie sorgen für sein leibliches Wohl, und er ist Teil ihrer Gemeinschaft, aber er hat keine Eltern, das ist der springende Punkt. Du weißt doch, dass seine Eltern nicht zurückkommen werden, oder?«
    »Sind sie nicht bei einer Zirkustruppe?«
    »Ach komm schon, das ist doch alles nur Fassade. Die haben sich abgesetzt. Kindererziehung ist eben manchmal schwierig, und bei den Plags konnten sie ihn doch gut lassen, da kriegt er immer von irgendwem was zu essen und anzuziehen.«
    »Wer hat dir das erzählt?«
    »Tom.«
    Überrascht blickte sie ihn an. »Wann hast du mit Tom geredet?«
    »Er kommt manchmal vorbei, um nachzusehen, wie es Mo geht.«
    Sie konnte erkennen, dass er ihr nicht alles erzählte, denn während er sprach, schaute er sie nicht an.
    »Es ist okay, Karl, es macht mir nichts aus, wenn du mit ihm Kontakt hast.«
    In sein Gesicht schlich sich ein skeptischer Ausdruck. Vielleicht hatte er wie ein Vater Bedenken, der sich an den Freund seiner Tochter gewöhnte und irgendwann feststellte, dass die Tochter den Freund abgeschossen hatte.
    Aber du hast nicht vor, Tom abzuschießen, oder?
    Nein.
    Na, dann hat Karl ja keinen Grund, sich Sorgen zu machen.
    »Was ist nur aus uns geworden? Umgang mit Plags. Ombres in der Familie.« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn meine Mutter davon erfährt, wird sie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.« Seufzend stand sie auf und ging zu dem Schrank hinüber, in dem sie einen Teil ihrer magischen Hilfsmittel lagerte. »Ich werde jetzt erst mal zu Judiths Hotel fahren und sehen, was ich wegen der Toten machen kann, die ihr an den Fersen kleben.«
    »Brauchst du Hilfe?«
    »Fragst du das, weil du mir helfen willst, oder weil du gern Judith wiedersehen möchtest?«
    »Dass du immer denkst, die Menschen hätten eine versteckte Agenda. Tse …«
    »Das liegt daran, dass die Menschen meistens eine versteckte Agenda haben, wenn sie etwas für dich tun.« Sie steckte ein bisschen Holz- und Knochenasche in Beuteln ein und nickte. »Nimm deine Schreckschusspistole mit. Wenn Auguste irgendwas Komisches versucht, während ich auf der Totenebene bin, dann knall ihm eine vor den Latz.«
    Karl erhob sich und griff in die Schublade. Die Schreckschusspistole steckte er in den Hosenbund, über den das bunte Hemd kam. Entschlossen rieb er sich die Hände, als wären sie auf dem Weg zu einem amüsanten Theaterabend.
    Als sie ihn so vor sich sah, den alternden Asterix-Verschnitt mit dem weizenblonden Schnäuzer und dem Bauchansatz, überkam sie eine ungewohnte Zärtlichkeit, die es ihr unmöglich machte, ihn abzumahnen, als er sagte: »Na schön, Mädel, dann lass uns mal Ordnung in dieses Chaos bringen.«
    Dabei hasste sie es, wenn er sie Mädel nannte.

15
    Das

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