Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
und automatisch schlug ihr Herz schneller. »Hast du etwa nicht das Gefühl, dass wir dabei die Welt hinter uns lassen?«
Manchmal.
Obwohl sie wusste, dass er sie aufzog, jagte ihr seine Stimme eine Gänsehaut über die Arme.
Das nennt man Nähe, und es geht nicht darum, diese Welt zu verlassen, sondern eine neue mit jemandem zu betreten. Das ist ein Unterschied.
»Worauf willst du hinaus? Dass Sonja an etwas gearbeitet hat, das die Leute besseren Sex haben lässt?« Skeptisch runzelte sie die Stirn, aber Sam zuckte nur mit den Schultern.
»Glaub mir, damit kann man Millionen machen. Frag mal die Erfinder von Viagra.«
Sie warf einen Blick zur Tür und flüsterte: »Und deswegen soll sie jemand zum Zombie gemacht haben? Damit sie daran weiterarbeiten kann? An einem Sextrank?« Das klang dermaßen hanebüchen, dass sie beinahe gelacht hätte.
»Ich glaube, du hast keine Ahnung, über welche Summen wir hier reden, Babel. Gerade in solchen Clubs könntest du damit so viel verdienen, dass du für immer ausgesorgt hast. Und es ist ja nicht so, als ob derjenige, der sich die Leiche besorgt hat, dafür töten müsste, nicht wahr?«
»Nein, er bedient sich nur einer lebenden Leiche.« Angewidert verschränkte sie die Arme.
»Ja, aber einer Leiche, die immer noch über ihr Wissen verfügt. Alles, was er dafür braucht, ist eine gewisse Raffinesse und einen festen Magen, während sie die Arbeit erledigt.«
»Und ein fehlendes Gewissen«, warf sie ein.
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Im Grunde ist es sogar recht clever.«
»Es ist widerlich, und bei der bloßen Vorstellung wird mir schlecht!«
In diesem Augenblick kam Monika zurück. Eine Weile unterhielten sie sich noch mit ihr, aber weitere interessante Details erfuhren sie nicht mehr. Nach einer halben Stunde drängte Babel zum Aufbruch, indem sie Sam unter dem Tisch mit der Stiefelspitze anstieß.
Ein paar Minuten ließ er sie zappeln, dann durfte Babel Zeuge werden, wie er sich von Monika mit dem Versprechen verabschiedete, bald mal wieder mit ihr in die Sauna zu gehen. Am liebsten hätte sie ihm wirklich mit dem Stiefel ein Andenken verpasst, aber vermutlich wäre das heuchlerisch gewesen.
Wütend verließ sie das Zimmer. Sie sah sich nicht um, ob er ihr folgte, aber als sie an der Treppe ankam, zog er sie zurück und in seine Arme. Er flüsterte: »Ich liebe es, wenn du eifersüchtig bist.« Dann küsste er sie und drängte sie gegen die Wand.
Sie spürte, wie sich ihre Magie verselbstständigte und die schwarz-weißen Fliesen unter ihren Füßen Risse bekamen, aber sie konnte es nicht verhindern. Wie immer erfasste sie die Leidenschaft, die sie teilten, und trug sie mit sich fort. Als er sie wieder losließ, glühten ihre Wangen in einer Mischung aus Erregung, Wut und Scham. Er grinste auf sie herab, sagte aber nichts weiter dazu, nahm sie nur bei der Hand und führte sie die Treppe hinab.
Vollkommen benommen gingen sie durch das Labyrinth zurück. Babels Gedanken kreisten noch immer um die mögliche Erklärung für die Ereignisse der letzten Tage, als ihr auf einmal ein Mann entgegenlief, der ihr vage bekannt vorkam. Ohne ein Wort des Grußes hastete er an ihr vorbei. Er schien sie jedenfalls nicht zu erkennen, sein Blick war fiebrig und zu Boden gerichtet.
Abrupt blieb sie stehen und sah ihm nach, wie er in einem der Räume verschwand.
»Was ist?«, fragte Sam.
Sie deutete auf die Tür, hinter der der Mann verschwunden war. »Das ist ein Mitarbeiter der Gerichtsmedizin. Meier-Lenz, glaube ich. Ich frage mich, was der hier macht?«
»Vermutlich dasselbe wie alle anderen.«
Sie warf ihm einen genervten Blick zu. »Das ist doch kein Zufall, dass der hier ist. Ausgerechnet ein Mitarbeiter aus dem Institut, in dem Sonjas Leiche verschwunden ist …« Sie ging ein paar Schritte auf die Tür zu, aber Sam griff nach ihrer Schulter.
»Da brauchst du nicht reingehen. Das ist privat.«
»Ich denke, hier ist nichts privat?«
»Dann lass es mich anders ausdrücken. Für diesen Raum brauchst du eine spezielle Anmeldung. Glücksspiel. Ist er magisch aktiv?«
»Nein.«
»Dann ist es vielleicht wirklich ein Zufall.«
Sie runzelte die Stirn. Wenn sie eines satt hatte in letzter Zeit, dann waren es Zufälle.
Sie könnte versuchen, mithilfe ihrer Magie hineinzukommen, aber Monika wusste bereits, dass sie nicht hier war, um zu spielen. Es war eine Sache gewesen, Sam mit der Information über Madame Vendome einen Gefallen zu tun, eine ganz andere
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