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Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Titel: Babel Gesamtausgabe - Band 1-3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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der cremefarbenen Tapete bildeten.
    Judith verdrehte die Augen und deutete mit der Hand darauf. »Könntest du das bitte lassen? Ich möchte nicht hochkant rausfliegen, nur weil du dich nicht im Griff hast. Was habt ihr nur wieder unten an der Rezeption angestellt?«
    »Ich kann auch wieder gehen, wenn du möchtest.«
    Judith antwortete nicht, winkte nur unwillig mit der Hand ab und ging ins Zimmer zurück. Karl folgte ihr, wobei er den Kopf senkte, und Babel konnte nur Vermutungen anstellen, worauf sein Blick gerichtet war. Kopfschüttelnd ging sie ihm nach und schloss die Tür hinter sich.
    Das Hotelzimmer war in Wirklichkeit eine Suite. Vor ihr eröffnete sich ein großräumiges Wohnzimmer. Auguste saß in einem Sessel und sah ihr gespannt entgegen. Er trug eine weiße Hose und ein dunkelrotes Hemd, das den Blick auf seine Kette freiließ. Vorsichtig nickte er ihr zu, und sie erwiderte den Gruß. Nur schwer konnte sie den Instinkt unterdrücken, Judith zu packen und mit ihr aus dem Zimmer zu rennen.
    Neben Auguste standen mehrere Kerzen auf dem schmalen Schreibtisch, daneben Schüsseln mit Kräutern und kleine Haufen Mehl und Asche. Auf dem Fensterbrett lag ein Totenschädel, der Größe nach zu urteilen der eines Kindes. Angewidert wandte sich Babel ab. Die Gegenstände verströmten schwach magische Energien.
    »Er versucht nur, die Toten von mir fernzuhalten«, sagte Judith, nachdem sie Babels Blick aufgefangen hatte.
    »Trägst du immer Schädel in deinem Gepäck herum, wenn du dich von nekromantischen Ritualen fernhalten willst?«, fragte Babel bissig. »Ich dachte, das ist der Grund, warum ich jetzt hier bin.«
    »Diese Sachen«, er deutete auf die Kerzen und den Schädel, »haben keine große Macht. Sie können die Verbindung zwischen den Toten und Judith nicht trennen, nur dämpfen.«
    »Ich habe Schlafprobleme«, ergänzte ihre Schwester.
    »Das erklärt nicht, warum er Schädel bei sich hat.«
    Ungeduldig verschränkte Judith die Arme. »Bist du auf Streit aus?«
    »Nicht mehr als sonst.«
    Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie Babel, als versuche sie abzuschätzen, ob sie tatsächlich einen Streit beginnen würde. Babel fragte sich, wie Judith Augustes magisches Netz nur ertragen konnte – empfand sie das Kratzen auf ihrer Haut nicht als unangenehm?
    Ob sie wirklich wusste, was sie Babel mit diesem Gefallen abverlangte? Wie viel Kraft es sie kostete, nicht auf Auguste loszugehen?
    Mit zwei anderen Hexen in diesem engen Raum zu stehen, machte sie nervös und aggressiv wie eine Raubkatze im Käfig, und das war nicht unbedingt die beste Voraussetzung für ein so kompliziertes Ritual. Dabei musste sie sich konzentrieren. Flüchtig berührten ihre Fingerspitzen den Halsring. Sie versuchte, die schlechte Vorahnung abzuschütteln, die von ihr Besitz ergriffen hatte.
    Komm schon, du weißt doch, dass sich die Zukunft so nicht vorhersagen lässt. Sei nicht so ein Angsthase.
    Sie warf Karl einen Blick zu, der unschlüssig den Kopf hin- und herwiegte. Auch er hatte die Arme verschränkt und stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt in ihrer Nähe. Von seinem Platz aus hatte er einen guten Blick auf alles, was im Raum geschah.
    Zögernd legte sie ihre Jacke ab, entnahm der Innentasche die beiden Aschebeutel und deutete auf den kleinen Kühlschrank unter dem Schreibtisch. »Hast du die Milch geholt?«
    Judith nickte. Auf einmal zeigten sich hektische rote Flecken auf ihren Wangen, die von ihrer Aufregung zeugten. Als sie den Kühlschrank öffnete, sah Babel, dass ihre Hände zitterten.
    Judith stellte den Krug, der das Hotellogo trug, neben die größte Schüssel auf den Tisch, und Babel legte die beiden Beutel dazu. Einen Moment lang blieben Judith und sie nebeneinander stehen und sahen sich in die Augen. Ihre magischen Signaturen vermischten sich miteinander, und sie konnte über ihr Pulsieren Judiths Herzschlag spüren. Ebenso wie die Anwesenheit der Toten, die sich wie ein Mantel um den Körper ihrer Schwester geschlungen hatten.
    Als Babel ein bisschen ihrer eigenen magischen Energie auf Judith übergehen ließ, um zu testen, wie es die Toten beeinflusste, konnte sie fühlen, dass sie sich nicht von der Stelle bewegten. Sie waren eng mit Judiths Netz verknüpft. Wer auch immer sich daran gebunden hatte, hatte ganze Arbeit geleistet.
    Plötzlich legte Judith ihr den Zeigefinger auf die Nasenspitze, wie sie es als Kind immer getan hatte. Die Geste hatte etwas seltsam Vertrautes und

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