Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
nichts dabei?
Mühsam wandte sie den Blick von ihm ab.
Obwohl sich sein magisches Netz deutlich von ihrem unterschied, so war es doch stabil. Das war bei Judith nicht der Fall. Ihre Energielinien zitterten unter dem Angriff der Toten, die mit ihr verbunden waren. Babel konnte die Schemen deutlich sehen. Sie standen dicht bei Judith – wie Wächter zu Seiten einer Königin. Ihre Energien waren in Judiths Netz verstrickt, Babel konnte die Verbindung nicht einfach mit Gewalt und einer einzigen Entladung lösen. Auf diese Weise würden Löcher im Netz entstehen, die nie wieder zu reparieren waren. Gut möglich, dass Judith dann einen Teil ihrer Fähigkeiten verlor.
Mit einem Toten verbunden zu sein, musste sich anfühlen, als wäre man in ein Laken gehüllt, das immer weiter auskühlte. Keine Wärme durchdrang das Eis, das sich langsam auf dem magischen Netz bildete und alles Leben aus einem heraussaugte.
In gewisser Hinsicht war es sogar noch gefährlicher als die fiebrige Energie, die von den Dämonen ausging, denn es kam schleichend und zog sich über eine lange Zeit hin. Nicht einmal Hexen merkten immer rechtzeitig, wenn ein Toter auf sie angesetzt war. Manchmal war es schon zu spät, sich Hilfe bei einem anderen magisch Aktiven zu holen, der die Verbindung löste.
Judith hatte es zum Glück gemerkt.
Der Gedanke an das, was passieren konnte, schnürte Babel die Kehle zu. Sie griff über den Tisch nach Judiths Hand, die erschrocken zusammenzuckte, als sich Babels Magie wie ein Sturzbach über sie ergoss. Sie biss die Zähne aufeinander und ließ die eigenen Schutzwälle sinken – dadurch gestattete sie Babels Energien, auf sie überzufließen.
Langsam überschwemmte die Magie das fremde Energienetz, bediente sich der Linien, die bereits vorhanden waren, als würde man Leitungen mit neuem Strom füttern. Nach und nach wurde das Blau dunkler, ähnelte immer mehr Babels. Die Magie kroch vorwärts, bis sie die Schemen erreichte.
Ein Kälteschock erfasste Babel. Sie konnte die Berührung bis in die Knochen spüren. Für einen Augenblick war sie ganz steif, doch sie zog ihre Energie nicht zurück.
Du musst dagegen ankämpfen. Denk an das Blut, das dir durch den Körper strömt. Wenn man dich jetzt aufschneiden würde, in diesem Moment, würde dein Blut warm hervorquellen. Beinahe heiß. Diese Wärme steckt noch in dir. Du bist noch kein Schemen.
Babel verstärkte den Magiefluss, drängte Welle um Welle gegen die Netze dieser Toten, die ihr fremd waren. Sie erkannte die Schemen nicht als Vorfahren. Sie hatte nichts mit ihnen gemein. Sie schuldete ihnen nichts.
Mit jeder verstreichenden Sekunde wurde die Anstrengung spürbarer, ihr lief der Schweiß über die Stirn, ihre Muskeln zuckten, und der Griff um Judiths Hand wurde fester. Sie konnte sehen, dass sich Judiths Lippen bewegten, verstand sie aber nicht. Zu sehr rauschte ihr das Blut in den Ohren.
Da legte ihr Judith plötzlich die andere Hand auf den Arm. Durch die Bewegung geriet die Schüssel ins Wackeln, aber das störte die Verbindung mit der Totenebene nicht. Zu weit war Babel schon vorgedrungen. Die Toten wehrten sich dagegen, dass die Verbindung zu Judith gelöst wurde. Etwas wie Wut erreichte Babel.
Ein diffuser Schmerz.
Noch stärker drängte sie mit ihrer Magie nach vorn, aber es wurde zunehmend anstrengender. Nur sehr, sehr langsam zogen sich die Toten zurück, und Babels Kräfte schwanden. Es war eine Frage der Zeit, ob sie siegen würde.
Das Schwierige an diesem Ritual war nicht, dass es besonders kompliziert war – tatsächlich kostete es einfach sehr viel Kraft –, und wie immer lag die Gefahr darin, die Kontrolle zu verlieren. Dem Nebel zu erliegen und den Weg nicht mehr zurückzufinden.
Du kennst doch das Märchen und dass man sagt: Mädchen, weich vom Wege nicht … Konzentrier dich!
Sie entzog dem Schmuck einen Teil seiner gespeicherten Energie, die ihr neue Kraft verlieh. Sie konnte spüren, wie sie für kurze Zeit wieder leichter wurde und die Erschöpfung wich, doch die Zeit wurde knapp.
Noch energischer ging sie gegen die Toten vor, die sich nicht freiwillig von Judith lösen würden. Sie standen unter dem Befehl des Nekromanten, der sie auf Judith angesetzt hatte, und seine Magie war die einzige Stimme, auf die sie hörten. Sie war das Drängen, dem sie nachgaben, ob sie wollten oder nicht.
Babel konnte seine Signatur nur schwach in ihren Netzen ausmachen, es reichte nicht, um ihn zu verfolgen, denn sie war verwaschen.
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