Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
verloren an Bedeutung. Sie konnte sie noch sehen, wusste, dass Judith ihre Schwester war, aber sie fühlte nicht mehr für sie als für eine Fremde.
Teilnahmslos sah sie zu, wie sich Judiths Lippen bewegten und ihren Namen formten.
Doch plötzlich wurde sie von etwas gepackt. Stechende magische Energien drangen auf sie ein. Auguste war in ihr Sichtfeld getreten, und ein Ruck durchfuhr sie. Er hatte den Stuhl, auf dem sie saß, zu sich gezogen. Im Hintergrund stritten Judith und Karl. Sie hielt ihn davon ab, sich auf den Ombre zu stürzen.
Die Eisriesen dürfen den Himmel nicht betreten , dachte sie verwirrt und hörte das dröhnende, gehässige Lachen.
Aber das ist doch nicht der Himmel, du Lamm. Hast du das wirklich geglaubt?
Der Ombre nahm ihr Gesicht in seine Hände, und bevor sie sich versah, war er bei ihr auf der Dämonenebene. Noch stärker drangen seine Energien auf sie ein, und das sie umgebende Meer verlor an Wärme. Die kalte Totenenergie, die mit seinem magischen Netz verbunden war, übertrug sich auf Babel.
Es war wie ein Eimer kaltes Wasser.
Und der Schock war ernüchternd. Die Hitze wich von ihr. Weit genug, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen.
Ich muss zurück.
Sie starrte in seine grauen Nebelaugen, denen die Iris fehlte, und konzentrierte sich auf den Weg zurück. Seine Kälte hüllte sie lange genug ein, um die Dämonenebene zu verlassen und wieder auf ihre eigene zu wechseln.
Schwer atmend saß sie in dem Stuhl, und ihre Magie sackte in sich zusammen wie ein Soufflé. Die magischen Wälle fielen ein, und dort, wo Auguste sie gepackt hatte, kühlte ihre Haut aus.
Einen Moment lang brauchte sie, um zu sich zu finden, während er vor ihr hockte, seine Hände auf ihren Knien, und der Milchmatsch zäh von ihren Händen auf den Teppich tropfte.
»Was für eine Sauerei«, sagte sie irgendwann und war dabei kaum zu verstehen, so trocken war ihr Hals.
»Alles in Ordnung, Babel?«, fragte Karl besorgt, und Judith nahm endlich die Hand von seinem Arm, damit er auf Babel zugehen konnte.
Sie nickte schwach, bevor sich ihr Blick auf Auguste richtete, der wieder seine ganz normalen dunkelbraunen Augen besaß, weil die Holzasche die Energie aufgebraucht hatte.
Langsam stand er auf und brachte etwas Abstand zwischen sie. Sofort ließ das Stechen auf ihrer Haut nach.
»Danke«, sagte sie leise, und er nickte.
»Kein Problem.«
Sprachlos schaute sie ihn an, denn sie wusste nicht, was sie sonst noch sagen sollte. Er hatte sich für sie weit aus dem Fenster gelehnt, denn genau wie sie lief er Gefahr, von einer Ebene auf die andere zu wechseln, wenn er ihre eigene Existenzebene erst einmal verlassen hatte. Ihr beider Glück war nur gewesen, dass die Dämonen nicht seine Schwäche waren.
Mit zitternden Beinen erhob sich Babel aus dem Stuhl und taperte ins Badezimmer hinüber. Im grellen Licht der Deckenstrahler wusch sie sich den Brei von den zitternden Händen und spritzte sich anschließend kaltes Wasser ins Gesicht. Als sie ihr Gesicht im Spiegel sah, erschrak sie selbst über den Anblick.
Ihre Augen glühten beinahe, als würde das Dämonenfieber noch immer in ihnen lodern.
Ihre Wangen waren eingefallen, die Lippen spröde, und die blauen Flecken hoben sich deutlich gegen eine aschfahle Haut ab. Das Ritual hatte ihr alle Kraft abverlangt, der Kick des Schmucks und der Dämonenebene hatte nicht lange gehalten.
Mühsam richtete sie sich auf und stützte sich auf den Waschbeckenrand. Im Spiegel sah sie Judith im Türrahmen stehen. Sie drehte sich zu ihr um, das Wasser tropfte noch von ihrer Haut.
»Wie geht’s dir?«, fragte Judith.
Selten hatte Babel diesen ernsten Ausdruck auf ihrem Gesicht gesehen. »Glänzend. Und dir?«
»Du hast es wirklich geschafft. Die Toten sind weg.« In ihrer Stimme schwang etwas wie Ehrfurcht mit.
Aber es wäre beinahe schiefgegangen. Ich darf wirklich nie wieder auf die Dämonenebene. Mit jedem Mal wird das Fieber schlimmer.
Judith schüttelte den Kopf. »Ehrlich, Babel, das war ein beängstigender Anblick. Es war wie damals …« Sie brach ab und sah verlegen zur Seite. Diese alte Geschichte zwischen ihnen hatte sie nicht ansprechen wollen, nicht jetzt, wo Babel ihr diesen Riesengefallen getan hatte.
Babel fuhr sich mit den feuchten Fingern durch die Haare, bis sie ihr nicht mehr in wirren Strähnen ins Gesicht fielen. »Es tut mir leid, Judith. Was damals passiert ist, meine ich.«
»Wir sind quitt, würde ich sagen.«
Zögernd nickte Babel, trat auf
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