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Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Titel: Babel Gesamtausgabe - Band 1-3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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Vorsichtig traten sie durch die kaputte Türöffnung.
    Dahinter eröffnete sich ein großer Raum, der früher einmal ein Büro gewesen sein musste. An einer Wand stand ein Schreibtisch, auf dem ein Koffer lag. Daneben lag eine Matratze mit einem Schlafsack und mehrere Dosen und Essensverpackungen. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein kleines Labor eingerichtet, das dem aus Sonjas Wohnung ähnelte. Kolben, Reagenzgläser, Lampen und Abdeckhauben. Selbst ein kleiner Kühlschrank brummte vor sich hin. Diese Ausstattung stand in seltsamem Kontrast zu der Schäbigkeit des Raums.
    »Kein Wunder, dass er aufs Geld scharf ist, wenn er in solchen Löchern haust«, stellte Babel fest.
    »Für die Aussicht auf das große Geschäft nimmt man doch gern mal eine Zeit lang eine schlechte Unterkunft in Kauf.«
    Als sie weiter in den Raum traten, erkannten sie, dass der Boden mit Kreidezeichnungen übersät war. In der Luft hing der Geruch von getrocknetem Blut und verschimmeltem Fleisch. Übelkeit erfasste Babel, aber sie versuchte sie herunterzuschlucken.
    Erinnert dich das nicht an was?
    Ja.
    An die Blutrituale, die sie mit Sam durchgeführt hatte, um Dämonen zu beschwören. Und an den Blutrausch, dem sie dabei irgendwann erlegen war. Blut auf der Haut, Blut im Haar. Rot gemalt wie Siegfried bei seinem Bad im Drachenblut. Daran, wie sie sich vorgenommen hatte, nie wieder dieser Versuchung nachzugeben.
    »Babel!«
    Sie blinzelte. Sam hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt und musterte sie besorgt.
    »Alles klar?«
    Langsam nickte sie. Sie erinnerte sich an Tamys Ratschläge.
    Konzentrier dich auf dich, du hast die Kontrolle. Atme.
    Langsam ging Babel weiter. Die Überreste der magischen Energien, die hier bewegt worden waren, erfassten sie. Als würde jemand mit den Fingernägeln über ihre Haut fahren.
    An der hinteren Wand stand ein mannshoher Spiegel. Er war rund und hatte einen schweren Holzrahmen, von dem schmalere Holzstreben zum Zentrum des Spiegels verliefen, die die Mitte jedoch nicht erreichten. Stattdessen trafen sie auf einen zweiten Holzring, der auf der Glasfläche angebracht war, sodass der runde Spiegel in eine Mitte und acht sie umgebende Felder unterteilt war.
    Fasziniert trat Babel näher. Der Spiegel pulsierte mit gespeicherter Energie. Auf ihm war ein Ziegenkopf aus Ton angebracht, dessen Hals in den Körper einer Schlange überging, die den äußeren Rahmen bildete. Das Glas war bereits an einigen Stellen blind.
    Der Spiegel war alt, wahrscheinlich schon vor vielen Jahrzehnten von der anderen Seite der Welt herübergesegelt. Davor standen Kerzen, deren Wachs auf den Fußboden getropft war. Ein Messingkessel lag umgedreht daneben.
    Babel war sich sicher, dass er innen rostrot war – sie müsste ihn nur umdrehen.
    Doch sie ließ es – sie wusste, wie getrocknetes Blut aussah, dafür brauchte sie keinen Nekromanten. Der Spiegel half dem Nekromanten bei seinen Ritualen. Er war groß für ein Utensil, aber auch mächtig. Wahrscheinlich hatte er damit seine Fähigkeiten trainiert.
    Spiegel waren gut dazu geeignet, auf anderen Ebenen Tote oder Dämonen anzulocken. Hexen konnten sich ihrer bedienen, um die andere Ebene sichtbar zu machen, wenn es ihnen nur schwer gelang, selbst hinüberzukommen.
    Es war auf jeden Fall die weniger gefährliche Variante während eines Rituals, denn es sparte Kraft.
    Wie hypnotisiert hob sie die Hand und ertastete mit ihren Energien das magische Muster.
    »Nicht!«, rief Sam, als er sah, was sie tat, und sie warf ihm einen spöttischen Blick über die Schulter zu.
    »Sag bloß, dir beschert’s eine Gänsehaut?«
    »Dir etwa nicht?«
    »Doch, aber das ist ein Gegenstand von großer Macht.«
    Mit Widerwillen sah er sich um. »Die Toten sind einfach nichts für mich.«
    »Ich weiß, was du meinst.«
    Auch wenn Dämonen eine andere Lebensform waren und keinen stofflichen Körper besaßen, so waren sie doch trotz allem irgendwie am Leben. Sie besaßen noch Streben und Verlangen. Den Toten fehlte dieser Impuls. Hatten sie endlich Ruhe gefunden, wollten sie nichts weiter, als diese Ruhe zu erhalten. Ihre Verbindungen zur lebendigen Welt waren nur dünn.
    Als würde man einen alten Schulfreund treffen.
    Man hat sich mal gekannt, das wusste man noch, aber nun hatte man sich nichts mehr zu sagen.
    »Es fühlt sich an wie Winter«, flüsterte er.
    Das stimmte, stellte sie überrascht fest. Seine Herkunft machte Sam sensibel, wenn es um magische Energien ging, auch wenn er selbst keine

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