Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Ehemänner. Von mir aus auch Steuersünder fürs Finanzamt. Aber lass für eine Weile die Finger von tödlichen Hexenverschwörungen, das raubt mir den Spaß.«
Betreten senkte Babel den Blick. Vielleicht sollte sie die Sache mit Clarissa erst später zur Sprache bringen. Am besten am Telefon. Außerhalb von Tamys Reichweite.
»Ich hab mir das nicht ausgesucht«, erwiderte sie vorsichtig. »Man hört nicht plötzlich auf, eine Hexe zu sein. Es wird immer irgendwelche Gefahren geben, das ist wie bei der Feuerwehr.« Babel sah zu der Tür, hinter der sie Judith vermutete, weil sie von dort aus starke Impulse aus dem Energienetz empfing. »Wie geht es ihr?«
»Deine Schwester ist eine seltsame Frau …«
»Wem sagst du das.«
»Körperlich geht’s ihr gut, aber …« Tamy zuckte mit den Schultern. »Es hat sie ziemlich mitgenommen, Babel. Was immer da zwischen den beiden vorgefallen ist … so einen Verrat steckt niemand leicht weg.« Sie deutete mit dem Daumen auf die Tür, und Babel ging langsam darauf zu. Sie überlegte, was sie sagen sollte, aber es fiel ihr nichts Rechtes ein, außer: Schokolade hilft. Für Beziehungsfragen war sie nicht unbedingt die beste Wahl.
Als Babel die Tür öffnete, bekam sie einen kleinen Schlag, weil Magie die Luft erfüllte und in die Gegenstände eingedrungen war. Judith saß auf dem Bett und starrte die Wand an. Eine Welle magischer Energie erfasste Babel, die allerdings nur noch die Nachwehen darstellte. Der Zauber, den Judith gewirkt hatte, musste schon ein paar Minuten zurückliegen.
Es war ein starker Zauber gewesen.
»Was ist es?«, fragte Babel und näherte sich ihr vorsichtig. Sie konnte keine Ritualzutaten sehen, weder auf dem Bett noch auf dem Fußboden.
Langsam hob Judith den Kopf und sah sie ernst an. Ihre Augen waren rot und geschwollen, die Nase wund geputzt. In ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, den Babel bisher an ihr nicht gekannt hatte. Er ähnelte dem, den sie im Spiegel oft sah. Eine gewisse Distanziertheit. Misstrauen.
Das war neu bei Judith.
»Ein Fluch.« Es klang teilnahmslos.
»Wie hast du das gemacht, du hattest doch nichts bei dir.«
Judith legte den Kopf schief und sah sie auf diese merkwürdige, neue Weise an. »Weißt du eigentlich, wie oft ich dich um deine Fähigkeiten beneidet habe?«
»Judith …«
»Nein, ehrlich. Wir wussten immer alle, dass du die Stärkste von uns warst. Als Kind hab ich deswegen oft geheult, und Mutter musste mich trösten.«
Das hatte Babel nicht gewusst.
»Später hab ich mich dann gefragt, warum ausgerechnet diejenige die meiste Kraft gekriegt hat, die am wenigsten damit anfangen kann. Du hast Mutter nie richtig zugehört, wenn sie uns etwas erklärt hat, weil du immer alles intuitiv schaffen konntest.«
»Das stimmt doch nicht, Judith.«
»Doch, sonst wüsstest du, wozu ich in der Lage bin, auch mit wenig.« Sie hielt Babel ihre Hand entgegen, und auf der Handfläche waren winzige Symbole mit Judiths eigenem Blut gezeichnet. Es erinnerte Babel an Hennazeichnungen.
Judith ließ die Hand wieder sinken. Babel fragte nicht weiter. Sie wusste auch so, dass der Fluch Auguste galt. In einer Hinsicht hatte Judith unrecht, denn obwohl Babel keine Vorstellung davon hatte, wie sie den Fluch vollbracht hatte, so wusste sie doch, dass er dem Ombre nicht nur einen Schnupfen bescheren würde.
Auguste hatte einen großen Fehler begangen, als er annahm, Judith wäre schwach und nachsichtig. Es dauerte lange, bis ihre Schwester einem Mann etwas wirklich übel nahm, aber wenn er es einmal geschafft hatte, sie richtig zu verärgern, dann konnte sie wie eine Plage über ihn kommen.
Was immer sie ihm hinterhergeschickt hatte, es würde dafür sorgen, dass er seines Lebens nicht mehr froh wurde. Vielleicht bediente sie sich dabei ihrer Tiermagie: Krähen, die ihm die Augen aushackten, oder giftige Schlangen, die sich um seinen Hals wanden. Babel war jedenfalls froh, nicht in seiner Haut zu stecken.
Sie setzte sich neben Judith auf das ungemachte Bett, unter dem Tamys Hanteln hervorlugten, und nahm ihre Hand. Eiskalte Finger verschränkten sich mit ihren, und Babel übertrug ihre eigene Wärme auf sie, bis sie spürte, dass sich Judiths Haut erwärmte.
Ein kleines Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht ihrer Schwester. »Weißt du noch, wie du mir mal einen Schmetterling geschenkt hast?«
»Nein.«
»Aber ich. Da waren wir noch ganz klein. Ich hab fürchterlich geheult wegen irgendwas. Da hast du mir einen Schmetterling auf die
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