Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
sofort alarmiert.
»Ich glaube, du solltest dringend herkommen.«
»Ich bin schon auf dem Weg.«
»Deine Schwester, sie ist schon im Auto aufgewacht. Wir sind jetzt bei mir, aber sie … verhält sich eigenartig. Ich glaube … ich glaube, sie bereitet ein Ritual vor. Sie hat sich in meinem Schlafzimmer eingeschlossen und …« Sie verstummte, und Babel hörte, wie sie durch die Wohnung ging. »Es klingt wie Vogelschreie …«
»Scheiße.« Fieberhaft überlegte Babel, was Judith vorhaben könnte.
Der Fahrer warf ihr irritierte Blicke im Rückspiegel zu, aber das scherte Babel nicht. Sie würde ihm am Ende der Fahrt sowieso die Erinnerung daran nehmen, dass sie sich je begegnet waren.
»Hör zu, du darfst auf keinen Fall zu ihr hineingehen. Ich nehme an, sie ist gerade dabei, Auguste zu verfluchen, weil er sie betäubt hat, um dem Zombie nachzugehen. Loyalitätsbrüche nimmt sie nicht gut auf. Die griechischen Erinnyen sind nichts dagegen, das kann ich dir sagen. Was immer sie vorhat, ich bin nicht schnell genug bei euch, um sie davon abzuhalten. Aber wenn du jetzt da reinmarschierst und sie hat magische Schutzwälle aufgebaut, könntest du schneller einen Herzinfarkt kriegen, als du zwinkern kannst. Ich mein’s ernst, halt dich von ihr fern. Judith ist gefährlicher, als sie aussieht. Am besten verschwindest du eine Weile aus der Wohnung.«
»Vergiss es.«
»Tamy, du bist nicht für Judith verantwortlich. Und ich kann nicht für deine Sicherheit garantieren, wenn du in ihrer Nähe bleibst.«
»Ich glaube nicht, dass mir was passieren wird. Sie wird aufpassen.« Tamy klang überzeugter, als es Babel im Augenblick war.
Sie wusste, wie sich Judith fühlte; die Wut, die in ihrem Inneren brodelte, musste sie schier wahnsinnig machen. Babel hätte sich denken können, dass sie etwas unternehmen würde, sobald sie die Kraft dazu wiedergewonnen hatte. Sie war einfach nicht der Typ dafür, so etwas einfach hinzunehmen. Aber jede Magie würde schneller wirken, als Babel laufen konnte.
Teleportation gehörte leider in das Reich der Legenden.
»Bitte, Tamy, riskier nichts, du kennst meine Schwester nicht.«
»Ich kenne dich. Sie wird aufpassen.«
»Na schön, aber geh auf keinen Fall zu ihr rein, das meine ich ernst. Ich sehe zu, dass ich so schnell wie möglich bei euch bin.«
»Okay.«
Nachdem Babel die Verbindung unterbrochen hatte, sagte sie zu dem Fahrer: »Treten Sie aufs Gas.«
Erstaunlicherweise tat er sofort, was sie von ihm verlangte, sogar ganz ohne dass sie Magie anwenden musste. Vermutlich wollte er diesen seltsamen Fahrgast so schnell wie möglich loswerden.
22
Tamy öffnete die Tür. Sie sah blass aus, und ihr Haar war feucht, vermutlich hatte sie kurz zuvor geduscht. Sie trug eine alte Trainingshose mit ausgebeulten Knien und ein Tanktop, das früher vermutlich mal weiß gewesen war, inzwischen aber die Farbe eines grauen Herbsthimmels hatte.
»He«, sagte Babel, und Tamy trat zur Seite, damit sie eintreten konnte.
»He.«
Unschlüssig stand Babel im Flur, die Hände in den Jackentaschen. »Wie geht’s dir?«
»Ganz gut.« Sezierend lag ihr Blick auf Babel. »Dir dafür nicht.«
»Ich weiß.«
»Brauchst du irgendwas? Salben, Eis, ein bisschen Verstand?«
»Autsch, das war deutlich.«
Tamy verschränkte die Arme und nahm ihre Türsteherpose ein. Das war kein gutes Zeichen, wie Babel wusste. Unter dem strengen Blick schrumpfte sie noch ein bisschen mehr, als sie es in der letzten halbe Stunde ohnehin schon getan hatte.
»Am Anfang hab ich noch gedacht, dass du vielleicht einfach nur Pech hast«, sagte Tamy. »Aber inzwischen glaube ich fast, du suchst den Ärger. Schau dich doch mal im Spiegel an. Kaum sind deine Schwellungen abgeheilt, kriegst du schon die nächsten.«
»Das ist nicht meine Schuld«, begehrte Babel auf. »Einer muss ja dafür sorgen …«
Tamy winkte ungeduldig ab. »Und genau davon rede ich. Du bist nicht Superman. Und auch nicht Mutter Theresa. Du musst dich nicht um alles kümmern.« Sie atmete tief durch. »Aber wahrscheinlich kannst du gar nichts dafür. Eine gewisse Unvernunft liegt wohl in der Familie.«
»Hör mal, ich bin dir wirklich dankbar, dass du Judith …« Sie brach ab, weil es der Rede ähnelte, die sie vor ein paar Wochen schon einmal gehalten hatte. Babel schuldete Tamy eine Menge, das ließ sich nicht einfach so in Worte fassen.
»Schon gut. Aber mal ehrlich, Babel, tritt in nächster Zeit ein bisschen kürzer. Such ein paar untreue
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