Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
werden. Und wer damit in Berührung kam, lief Gefahr, sich daran zu verbrennen. Und mit jeder Welle, die sie in Clarissas Richtung schickte, verlor sie mehr Kraft, die ihr helfen sollte, sich gegen die fremde Magie zu verteidigen.
Das Brennen auf ihrer Haut nahm zu, ebenso wie der Schmerz in den Lungen. Selbst die Luft fühlte sich inzwischen heiß an. Mit jedem Atemzug sog sie Feuer in ihr Inneres.
Lange würde sie dem nicht standhalten.
Ihre Knie gaben nach, sie spürte, wie ihre Schuhe auf dem Boden nach hinten rutschten. Ihre Zähne waren schmerzhaft aufeinandergepresst, und ihr Herz raste in einem ungesunden Rhythmus. Das Blut pochte ihr in den Schläfen. Sie wäre nicht die erste Hexe, die einen Schlaganfall erlitt, während sie Magie wirkte.
Aber auch an Clarissa ging das magische Kräftemessen nicht spurlos vorüber. Ihr tropfte Blut aus den Innenwinkeln der Augen, und ihre Hände hatten sich wie bei Spasmen zusammengekrümmt. Die körperliche Anstrengung der Magie musste für die Hexe wegen ihres Alters überaus belastend sein.
Babel spürte, dass auch die anderen im Raum schwächer wurden, der Geruch nach Blut drang ihr in die Nase, und aus Judiths Richtung waren nur noch schwache magische Impulse zu spüren. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, dass die Vögel mit verdrehten Hälsen auf dem Boden lagen – und Babel war froh, dass sie Urd zu Hause gelassen hatten. Es fühlte sich an, als würde der Kampf schon ewig dauern, dabei konnten nur wenige Sekunden verstrichen sein. Alles ging so unglaublich schnell, obwohl es sich viel länger anfühlte – und größere Schäden anrichtete.
In diesem Moment hörte Babel plötzlich das scheußlichste Geräusch, das sie jemals in ihrem Leben gehört hatte. Ein schriller Schrei, so grauenerregend, dass einem schlecht davon werden konnte. Und im selben Moment stürzte sich ein Bündel aus Knochen und Federn auf Clarissas magisches Netz und bohrte mit seinen Krallen ein Loch hinein – während Xotl Zeter und Mordio schrie, als hätten sich die Tore zur Dämonenebene geöffnet und seine schlimmste Brut auf die Menschheit losgelassen.
Mo!
Aber in diesem Augenblick war es Babel gleich, wie der Papagei hierhergekommen war, oder warum er es für seine Aufgabe hielt, ihr im Kampf gegen eine andere Hexe beizustehen. Babel sah ihre Chance, und sie nutzte sie. Denn Xotls Riss in Clarissas Netz verschaffte ihr einen Weg.
Sie rammte sich den Dorn ihres Rings in die Hand und verband Schmerz und Blut und Energie zu einem gezielten Angriff. Mit Wucht durchbrach sie die letzte Barriere und packte Clarissa blitzschnell am Handgelenk.
Das war alles, was es gebraucht hatte.
Ihre Magie verband sich mit Clarissas Netz – etwas in dieser Art hatte sie noch nie gespürt. Als sie Nikolais Netz zerstört hatte, waren seine Energien zwar auch auf sie übergegangen, aber er war deutlich jünger gewesen. Clarissas Netz war komplex und unvorstellbar miteinander verknüpft, es verfügte über Knoten, die älter waren als Babel. Sie verstärkte den Druck und spürte, wie das magische Netz unter ihren Wellen riss.
Im Gegensatz zu ihrem Enkel schrie Clarissa nicht. Sie konzentrierte sich darauf, einen Weg zu finden, das Blatt doch noch zu wenden. Aber das würde Babel nicht zulassen. Sie war wie im Rausch. Bei Nikolai war es darum gegangen, die fremde Magie zu vernichten, doch jetzt wollte sich Babel die Energien einverleiben. Sie war wie ein gefräßiges Monster, das nicht genug bekommen konnte.
Ganze Energiestränge und verwobene Gerüste wandelte sie in pure Energie, die sie in sich aufnahm und zu eigen machte, bis nichts mehr übrig blieb außer dem Grundgerüst der Magie, die direkt mit Clarissas Leben verbunden war.
Du wirst niemanden mehr angreifen, den ich liebe.
Babel sah mit brennendem Blick auf die Hexe herab, die zusammengesunken an der Wand lehnte. Ein leiser Laut kam aus ihrem geöffneten Mund. Sie sah aus wie die alte Frau, die sie war.
Und Babel spürte, wie die Macht, die in ihrem Innern wirbelte, die Dämonen anzog, genau wie die Toten. Die Grenzen zu den anderen Ebenen verschwammen. Wenn sie wollte, konnte sie die Verbindung zu ihnen herstellen, sie befehligen – in sie eintauchen.
Vergiss nicht, was du versprochen hast.
Aber es fühlt sich so gut an. Ich bin stark.
Du bist auch so stark. Selbst ohne diese Macht.
Nur mühsam konzentrierte sie sich auf ihre eigene Ebene, auf das, was sie sehen konnte.
»Du hast zwei Tage, mehr nicht«, war das Einzige, was
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