Babkin, unser Väterchen
noch, und Nina, die Schöne, lachte etwas exaltiert.
»Na na«, entgegnete Babkin und grinste siegessicher. »Brätst wohl den Fisch, um deinen eigenen Gestank zu überdecken? Wann, Aljoscha, hast du zum letztenmal unter dich gemacht?«
Diese Kindheitserinnerung ließ in Babkin alle Kräfte schwellen. Sawitzkij sprang auch sofort auf, rollte wild mit den Augen und zog die Schultern hoch. »Du rostiger Eisentopf!« schrie er, ballte die Fäuste und streckte sie vor. Das sah imponierend aus, und er hoffte auch, Nina damit zu beeindrucken. »Komm her! Ich biege dir den Henkel nach hinten!«
»Die Sehnsucht des Menschen war immer, wie ein Vöglein fliegen zu können!« antwortete Babkin ganz ruhig. Damals war er noch ein junger Mensch mit etwas Bildung, was im Laufe der Jahre allerdings immer mehr abgeflacht war, obwohl es ja umgekehrt der Fall sein sollte. Das Alter bringt Weisheit und Erfahrung, sagt man doch immer, aber bei Babkin reduzierte sich später alles auf den begrenzten Raum seines Einkaufsmagazins.
An jenem Tag allerdings, mit sechsundzwanzig saftigen Jahren, konnte Wadim Igorowitsch noch solche Reden führen. »Willst du ein Vöglein sein, Aljoscha?«
Ein dumpfer Laut antwortete ihm. Dann schnellte Sawitzkij vor, und das war ein Fehler, den er Zeit seines Leben bereute.
Babkin erwartete ihn, wandte einen ganz einfachen Judogriff an, Aljoscha flog durch die Luft, wirklich wie ein etwas träger Vogel, und landete bäuchlings am Seeufer. Bevor er aufspringen konnte, sichtlich benommen, war Babkin schon bei ihm, ergriff ihn an Hemdkragen und Hosenboden, hob ihn hoch und schleuderte ihn in den See. Dort ging Sawitzkij sofort unter, kam prustend hoch und kroch aufs Land zurück. Nicht dieser Flug kostete ihn alle Nerven, sondern Nina, die lachend hinter dem brutzelnden Fisch saß und Babkin applaudierte, als habe er eine gute Zirkusnummer abgezogen.
Nina applaudierte Babkin … das war das Ende aller Hoffnungen für Aljoscha Sidorowitsch, das zauberhafte Weibchen für sich zu gewinnen. Tief gekränkt, im Inneren zerrissen, saß Sawitzkij am Seeufer und verzichtete auf eine Fortsetzung des Kräftemessens. Babkin dagegen, sich seiner Überlegenheit bewußt, fraß vor Aljoschas Augen zusammen mit Nina den köstlichen Fisch auf, warf ihm die abgenagte Mittelgräte zu und sagte hämisch: »Damit mein Vögelchen nicht verhungert!«
Welche Schande! O welche Schande!
Das weitere kennen wir: Babkin heiratete später Nina Romanowna, zeugte drei Kinder mit ihr, alles Töchter, Gott sei's geklagt, vernachlässigte sein Krafttraining, wurde wie so viele Männer in der Ehe träge und dick, aber Sawitzkij versuchte trotzdem nicht mehr, mit Babkin einen handgreiflichen Streit anzufangen.
Nur eins war unangenehm: Aljoscha Sidorowitsch erbte den Viehhandel seines Onkels Leonid Michailowitsch und wurde somit Nachbar von Babkin. Nur vier Häuser trennten sie voneinander. Die beiden Männer begegneten einander also jeden Tag – wie früher als Kinder – grüßten sich mit fortschreitendem Alter auch wieder und traten später sogar in Geschäftsbeziehungen, weil Babkin von Sawitzkij Schweinchen und Kälber kaufte, sie selbst schlachtete, zerteilte, räucherte und verwurstete und – sein Nachbar, der Metzger Narinskij, wurde grün vor Ärger – damit einen guten Gewinn erzielte.
Babkins ›Würste auf sibirische Art‹ wurden bis Perm verkauft, sie waren lange haltbar in Dosen und ein begehrter Wintervorrat für die Städter. Narinskij allerdings, auch das wissen wir jetzt, rächte seine Metzgerehre, indem er ab und zu mit Nina Romanowna schlief. Man darf sich nichts gefallen lassen – vor allem nicht in Sibirien!
Nun also kam Sawitzkij ins Sterbezimmer, bekreuzigte sich wie alle guten Christen vor dem Toten, legte sogar einen Strauß Feldblumen auf Babkins Bauch und betrachtete den dahingegangenen Nachbarn unverschämt lange. Babkin wußte genau, was Aljoscha jetzt dachte: Besser du als ich … und dabei bin ich auch noch fünf Jahre älter als du! Wenigstens diesen Triumph habe ich, von anderen Dingen ganz zu schweigen.
Aber gerade diese ›Dinge‹ waren es, die Sawitzkij an Babkins Bett trieben. Bevor einer in den Himmel oder die Hölle kommt – weiß man, wohin? – sollte man einen dicken Strich unter das Kontobuch des Lebens machen. So etwas reinigt auch ungemein die eigene Seele.
»Mein lieber Wadim Igorowitsch«, begann Sawitzkij.
Babkin stockte wieder der Herzschlag. Wer so anfing, wer ihn ›lieber‹
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