Babson, Marian
ist
los?«, rief Gemma, als sie das Fenster aufgemacht und sich hinausgebeugt hatte.
»Habt ihr etwas mitbekommen? Uns wollen sie nicht ins Foyer lassen!« Irgendwo
hinter ihr schluchzte jemand.
»Hören Sie,
lassen Sie sich von denen nichts sagen«, rief Karla und drängte Gemma zur
Seite. »Kommen Sie zu uns. Sagen Sie einfach, Sie wollen Gemma besuchen. Und
auf dem Weg hierher sehen Sie sich ganz genau um.«
Es klang
überzeugend, und Macho war bereits dabei, sich durch die Menge zu schieben.
Lorinda und Freddie folgten ihm, und nach kurzem Zögern schloss Jennifer Lane
sich ihnen ebenfalls an. Einen Versuch war das Ganze wert.
Der Sanitäter,
der an der Tür stand, war gar nicht darüber erfreut, jemanden ins Haus zu
lassen, doch war auch klar, dass er nicht die Autorität besaß, Besuchern den
Zutritt zu verwehren. Außerdem stand Gemma bereits vor ihrer Wohnungstür und
winkte sie zu sich.
Macho machte
einen Schritt zur Seite und winkte die Frauen vorbei, weil er so mehr Zeit
hatte, sich ein Bild von der Situation zu machen. In den wenigen Sekunden, die
ihnen blieben, konnte Lorinda beobachten, dass zwei Sanitäter vor der
geöffneten Lifttür standen und hinunter in den Schacht blickten. Die Männer mit
der Trage wurden von einem aufgeregten Gordie zu der Treppe gelotst, die nach
unten in den Keller führte.
Gemma ließ sie
alle in ihre Wohnung, sogar Jennifer, versperrte dann aber Macho den Weg. »Tut
mir leid«, sagte sie, »aber das ist ein privates ... oh!«
»Ganz
richtig.« Freddie drehte sich zu ihr um. »Sie kennen ihn. Macho hat sich
nur ein neues Image zugelegt.«
»O ja,
natürlich. Tut mir leid, entschuldigen Sie.« Gemma schloss die Tür hinter ihnen
und lehnte sich gegen die Tür, während sie Macho noch immer ungläubig musterte.
»Hm, das ist sehr beeindruckend.«
»Sie haben
sich also die Haare schneiden lassen«, be-
grüßte Jack
ihn. »Wurde auch Zeit. Und der Bart ist auch ab, sieh an. Hey, Sie haben ja doch ein Kinn!«
»Ja«, knurrte
Macho und schob das Kinn demonstrativ vor.
»Aber von
Ihrem alten Tropfenfänger konnten Sie sich wohl nicht verabschieden, wie?«
Niemand wäre je auf die Idee gekommen, zu behaupten, dass Jack mit irgendeiner
Situation sensibel umzugehen wusste. Lorinda bemerkte, dass nicht nur Macho mit
den Zähnen knirschte, sondern auch Karla.
»Musst du dich
eigentlich immer wie ein Arschloch benehmen?«, fauchte sie ihren Mann an.
Da sie nun im
Wohnzimmer angelangt waren, wurde auch klar, wessen lautes Schluchzen sie
vorhin gehört hatten. Rhylla hielt eine zitternde, weinende Clarice an sich
gedrückt, tätschelte ihren Rücken und redete leise auf sie ein.
»Wie es
aussieht, hat die arme kleine Clarice die Leiche entdeckt«, ließ Professor
Borley sie mit gedämpfter Stimme wissen.
Betty Alvin
saß stumm und reglos in einer Ecke, mit dem Rücken zur Wand, das Gesicht
schneeweiß. Sie hielt mit beiden Händen ein Glas mit einer dunkelbraunen
Flüssigkeit umklammert, doch sie schien davon nichts zu bemerken. Offenbar
stand sie unter Schock.
»Vielleicht
können Sie ja mal mit Betty reden«, sagte Borley. »Ich dringe einfach nicht zu
ihr durch.«
»Was hat sie
denn?«, wunderte sich Freddie. »Ich dachte, Clarice hat die Leiche gefunden.«
»Das schon,
aber Betty hat sie als Letzte lebend gesehen.« Er senkte seine Stimme noch
weiter. »Ich fürchte, Betty gibt sich wieder einmal die Schuld.«
Es schien eine
Angewohnheit von Betty Alvin zu sein, sich für alles die Schuld zu geben,
überlegte Lorinda ein wenig verärgert. Vermutlich war das der Grund, warum
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Dorian sie so
gern um sich hatte. Sie war eine ewige Märtyrerin, die für alles die
Verantwortung übernahm, was um sie herum geschah. Zudem war Dorian sehr gut
darin, anderen die Schuld an etwas zu geben.
Draußen
ertönte eine weitere Sirene, verstummte aber schnell wieder, als sei klar
geworden, dass keine Eile mehr nötig war. Als Lorinda aus dem Fenster schaute,
sah sie einen Feuerwehrwagen vorfahren, dem ein Polizeifahrzeug folgte.
Macho hatte
sich unterdessen wie ein Lehrer in seinem Klassenzimmer umgesehen, der die
Vollzähligkeit seiner Schüler kontrollieren möchte. »Wo ist Ondine?«, fragte er
an Gemma gewandt.
Die Frage ließ
Clarice noch lauter schluchzen, und Betty gab ein leises protestierendes
Stöhnen von sich. Rhylla drückte ihre Enkelin fester an sich, Gemma bückte sich
und streichelte die Hunde, die zu ihren Füßen lagen. Professor Borley räusperte
sich und
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