Babson, Marian
ist
genug für alle da.« Dabei deutete er auf die anderen Kellnerinnen, die sich
ebenfalls mit vollen Tabletts ihren Weg durch die Menge bahnten. »Esst auf, und
dann schicken wir sie zurück, damit sie uns Nachschub bringt.«
Das ließ sich
Macho nicht zweimal sagen. Er verschlang ein Kanapee nach dem anderen mit der
Entschlossenheit eines Mannes, der aus diesem grässlichen Abend das Beste
herausholen wollte.
Lorinda legte
ein rundliches graues Etwas auf ihren Teller, das zu den wenigen noch
verbliebenen Dingen auf dem Tablett gehörte, und biss ein winziges Stück davon
ab. Es entpuppte sich als ein marinierter, mit Krabbenfleisch gefüllter
Champignon, der zum Glück wesentlich besser schmeckte, als er aussah.
»Freddie,
Darling!« Eine Frau aus der Londoner Gruppe stand plötzlich bei ihnen. »Was für
ein fantastischer Ort. Fast so, als hättest du ihn in deinen Büchern erfunden.«
»Das hat sie
auch gemacht«, warf Dorian ein, der ebenso wie die Frau aus dem Nichts
aufgetaucht war. »Das haben wir alle getan, und dann auf einmal ist es
Wirklichkeit geworden, und wir sind hergezogen. Passt auf, dass das alles nicht
um Mitternacht verschwindet und euch in die vierte Dimension mitreißt.«
»Oh, Dorian!«
Die Frau lachte nervös. »Du bist schrecklich.« Unwillkürlich wanderte ihr Blick
zu den hohen Fenstern mit den Blumenkästen davor, als wolle sie sich
vergewissern, dass noch alles da war. Dorian hatte diese Wirkung auf manche
Menschen.
»Nur zu den
Menschen, die ich liebe.« Er gab ihr einen Wangenkuss. »Kleinen Kindern und
Fremden gegenüber kann ich beängstigend höflich sein.«
»Musst du mir
das unbedingt unter die Nase reiben, Dorian?« So majestätisch wie eine Galeone
glitt Rhylla Montague in ihre Mitte und ging dort vor Anker. »Ich versuche, das
zu verdrängen, damit ich meine letzten Tage in Freiheit genießen kann.«
»Ach, Unsinn, Rhylla«, erwiderte Dorian gut
gelaunt. »In Wirklichkeit freust du dich doch darauf. Jede liebevolle
Großmutter würde das tun.«
»Hör auf!«
Rhylla schauderte. »Auf mich warten ein Abgabetermin und eine Enkelin. Wie soll
ich das alles unter einen Hut kriegen?«
»Vorsicht
bitte!«, rief Betty Alvin, die sich mit einem randvoll beladenen Tablett in
ihre Mitte schob. »Ich habe gesehen, dass einige von Ihnen das Mittagessen
hatten ausfällen lassen. Darum habe ich Ihnen das hier beschafft.« Die
Sekretärin hielt den anderen das Tablett hin. »Hot Dogs!«, rief Jackley.
»Eigentlich
sind das heiße Cocktailwürstchen«, korrigierte Macho ihn. Beide genossen sie
einen Moment lang den Anblick ihrer Beute, dann stürzten sie sich drauf. Neben
den Würstchen gab es unter anderem Königsgarnelen, Schweinefleisch süß-sauer,
Steakmedaillons und verführerisch würzige Dips. Alles war deutlich pikanter als
die vorangegangene Runde. »Betty, Sie sind meine Lebensretterin!«, hauchte
Rhylla.
»Nicht
vergessen, sie ist schon vergeben«, warnte Dorian sie. »Sie hat alle Hände voll
damit zu tun, meine Endfassung vorzubereiten. Sie hat keine Zeit, das
Kindermädchen für deine Enkelin zu spielen.«
»Du kannst sie
nicht rund um die Uhr arbeiten lassen!«, hielt Rhylla ihm vor und warf ihm
einen giftigen Blick zu.
»Du aber auch
nicht.«
Betty drehte
sich mit dem Tablett im Kreis, wobei sie die Stirn leicht in Sorgenfalten
legte. Lorinda verspürte Mitgefühl mit ihr. Es musste sehr verlockend gewesen
sein, als Dorian ihr vorschlug, sie solle doch mit ihrem Schreibbüro ins
Dachgeschoss von Coffers Court umziehen. Immerhin war die Miete minimal, und
darüber hinaus lockte ein fester Kundenstamm aus dem ganzen Haus. Inzwischen
schien Betty von ihrer Entscheidung, auf Dorians Angebot einzugehen, nicht mehr
ganz so überzeugt zu sein. Aber so wie bei Lorinda gab es auch für sie kaum
eine Möglichkeit, jetzt noch einen Rückzieher zu machen.
»Wie
aufmerksam von Ihnen«, sagte Lorinda und sah sie verständnisvoll an, während
sie vier riesige Garnelen auf einem Zahnstocher spießte. Mit Unschuldsmiene
stand sie da und überlegte, wie sie die Garnelen in einer Serviette und von da
unbeobachtet in ihrer Handtasche verschwinden lassen konnte. Unglaublich, zu
welchen Schandtaten Menschen bereit waren, nur um ihren Katzen etwas zu essen
zu beschaffen! Aber wenn sie sich vorstellte, mit welcher Freude Hätt-ich's und
Bloß-gewusst reagieren würden, wenn sie ihnen die Garnelen präsentierte, dann
konnte sie gar nicht anders.
Plötzlich
bemerkte sie, dass auch
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