Babson, Marian
stellen, dann müssen Sie sich auch von mir Fragen gefallen lassen.
Freddie, was ist mit Ihnen? Sie haben eindeutig einige Zeit in den Staaten
verbracht, denn ich kann einen vertrauten Akzent heraushören. Und so manche
Wortwahl ist eigentlich nur für Amerikaner typisch. Also?«
»Sie haben
mich durchschaut.« Freddie verzog den Mund: »Ich habe einige Zeit in New York
in der Werbebranche gearbeitet. Fast zehn Jahre lang führte ich ein sehr
angenehmes Leben. Viel Geld, ein schönes Apartment, eine reizende Katze, dazu
die obligatorische Affäre. Und dann auf einmal«, sie zuckte hilflos mit den
Schultern, »ging alles gleichzeitig den Bach runter. Meine Katze starb, mein
Liebhaber brannte mit einem jüngeren, verbesserten Modell durch, der Vermieter
schraubte die ohnehin übertriebene Miete noch weiter in die Höhe. Und dann
wechselte auch noch der Eigentümer der Werbeagentur. Wie üblich wurde beteuert,
es werde sich nichts ändern, obwohl die neue Chefetage bereits ganz genau
hinsah, auf wessen Dienste man künftig verzichten konnte. Ich bin so wie die
meisten Leute in der Lage, die Zeichen zu deuten. Zum Glück hatte ich genug gespart,
um mich ein paar Jahre über Wasser zu halten. In der Zeit wollte ich
herausfinden, ob ich Romane schreiben kann oder nicht. Ich nahm mein Geld und
kehrte
hierher
zurück, immerhin lebten hier meine Freunde und meine Familie.«
Und hier
konnte sie in Ruhe ihre Wunden lecken und ihr Leben neu ordnen, dachte Lorinda.
So viel hatte Freddie noch nie in einem Zug über sich erzählt, auch wenn
Lorinda sich aus den vereinzelten Bemerkungen das meiste zusammenreimen konnte.
Das war ihrer Meinung nach eigentlich auch die richtige Art und Weise, um etwas
über andere Menschen in Erfahrung zu bringen. Diesen Wasserfall an
Informationen, den Amerikaner so dringend zu benötigen schienen, hielt sie für
unangebracht.
»Und Sie?«
Lorinda zuckte zusammen, als Karla ihren unerbittlichen Blick auf sie richtete.
»Da gibt es
nicht viel zu erzählen«, antwortete sie bedächtig. »Ich war ein Einzelkind.
Meine Eltern waren fast fünfzig, als meine Mutter schwanger wurde, und
eigentlich hatte niemand mehr mit mir gerechnet. Als ich mit der Universität
fertig war, wurde meine Mutter krank, und mein Vater kam nicht damit klar. Zum
Glück konnte ich schreiben, während ich mich um sie kümmerte. Ich schrieb
verschiedene Bücher, ehe ich mir Miss Petunia und ihre Schwestern ausdachte.
Hier kamen sie ganz gut an, und in den USA entpuppten sie sich als ein echter
Renner. Und das ist das, was ich seitdem mache. Durch die Arbeit und die
Versorgung meiner Eltern hatte ich zu meiner eigenen Generation eigentlich kaum
Kontakt, und ... na ja ...« Sie ahmte Freddies Schulterzucken nach.
»Schließlich starben meine Eltern ... und ich bin jetzt hier.«
»Wie traurig.«
Karlas Tonfall verriet, dass sie im Grunde meinte: »Wie langweilig».
Dementsprechend erwartungsvoll wandte sie sich Macho zu.
»Das ist
ziemlich schmerzhaft... und normalerweise rede ich nicht darüber.« Er würde sie
aber nicht enttäuschen, und so holte er tief Luft und bedachte Freddie und
Lorinda mit dem Anflug eines Lächelns.
»Meine Frau
und ich arbeiteten als Lehrer in einer Missionsschule in Afrika. Das war vor
vielen Jahren, und wir hatten zu der Zeit keine Ahnung von den Spannungen, die
auf dem Kontinent herrschten. Auch als Revolutionen und Aufstände ausbrachen,
spielte sich das alles weit von uns entfernt ab. Zugegeben, wir bekamen die
üblichen Gerüchte mit, und die Unruhen rückten allmählich näher. Wir überlegten
auch, ob es vielleicht besser sei, nach England zurückzukehren. Aber es kam uns
selbst da immer noch so unwahrscheinlich vor, dass es uns treffen könnte ...
bis es zu spät war.« Ein Schaudern erfasste ihn, und er legte eine Hand über
seine Augen. »Natürlich hatten wir uns da längst Waffen besorgt. Wir waren ja
nicht ganz dumm, und wir wussten, die Unruhen kamen jeden Tag ein Stück näher.
Wir setzten einen Notruf ab, gerade als das Missionsgelände belagert wurde, und
dann konnten wir nur noch beten. Die Tage zogen sich hin, und unsere Vorräte
schwanden zusehends. Wir begannen zu fürchten, dass niemand unseren Hilferuf
gehört hatte. Unser Bestand an Munition war sogar noch kleiner als der an
Lebensmitteln. Außerdem hatten wir uns mit unserem Widerstand den Zorn der
Rebellen zugezogen. Wir wussten, wenn die unsere Verteidigung durchbrechen
sollten, dann würden sie keine Gnade walten
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